Kommunikation

Erziehung: Warum mein Sohn den blauen Becher bekommt, wenn er ihn haben will

Immer mal wieder tauchen im Internet Artikel auf, die ich so erschreckend finde, dass ich dem etwas entgegensetzen möchte. Das habe ich schon bei dem Artikel über „Notlügen“ getan und auch dieser Artikel der Huffington Post darf einfach nicht so unkommentiert stehen bleiben.

Mir fällt es wirklich schwer zu glauben, dass es immer noch Menschen zugeben scheint, die der Meinung sind, Kinder müssten ihren Eltern in allererster Linie gehorchen und sich ihnen unterordnen.

Ich meine: Machen sich diese Menschen auch ab und zu mal Gedanken darüber, was mit Kindern passiert, die man rein zum Gehorchen erzieht? Sie werden sich auch später immer wieder Menschen suchen, denen sie gehorchen oder deren Meinung sie nacheifern können, statt sich selbst Gedanken zu machen und gute Entscheidungen für ihr Leben zu treffen! Das ist zumindest meine feste Überzeugung.

Ich sehe mein Kind nicht als meinen Untergebenen an, der gefälligst zu tun hat, was ich ihm sage, weil ich nun mal die Mutter bin.

Denn meine Sorge wäre genau die, dass mein Kind später auch einfach das akzeptiert, was ihm irgendjemand sagt, und seine eigene Identität darunter leidet.

Ganz im Gegenteil: eigentlich ist es doch so, dass ich ständig Entscheidungen über den Kopf meines Kindes hinweg treffe. Nicht absichtlich, sondern weil das im Alltag nun mal so passiert. Wenn ich koche, entscheide ich nach meinem Appetit, was es geben wird. Ich kaufe Kleidungfür mein Kind, Schuhe und Nahrungsmittel, die ich für lecker und für unsere Familie als geeignet empfinde.

Ich entscheide, wann die Wintersachen herausgeholt und angezogen werden und wann es Zeit für die Sommerkleidung ist. Ich sage, wann wir einen Termin beim Frisör haben und damit, so lange mein Kind sich einigermaßen davon überzeugen lässt, wann er sich die Haare schneiden lassen muss.

Gleiches gilt für Waschen, Haare waschen, Zähne putzen, Nägel schneiden und so viele andere Dinge. Ein Großteil von diesen Beispielen greifen ganz direkt in die körperliche Integrität meines Kindes ein. Beim Einkaufen entscheide ich, was im Wagen landet und wann wir welchen Nachmittagsaktivitäten nachgehen oder die Großeltern besuchen.

Wenn man ihnen da nicht einmal zugesteht, die Farbe ihres Becher selbst auszusuchen – wann und wo sollen sie es denn bitte dann lernen?

Andersherum betrachtet gibt es so wenig, bei dem Kinder lernen können ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und ihre Meinung zu vertreten. Wenn man ihnen da nicht einmal zugesteht, die Farbe ihres Becher selbst auszusuchen (besonders schlaue Menschen lassen ihr Kind übrigens einfach den Becher VOR dem einschenken des Getränks aussuchen 😉 ) – wann und wo sollen sie es denn bitte dann lernen?

Deshalb möchte ich gerne kurz im einzelnen auf die im Artikel genannten Punkte eingehen:

1. Ich möchte ein Kind, das selbstbewusst ist und das für seine eigene Meinung einsteht. Und wenn es dafür nötig ist, das Getränk meines Sohnes in einen andersfarbigen Becher umzufüllen und den schon benutzten dafür in die Spülmaschine zu stellen ist das ein Preis, den ich SEHR gerne bereit bin zu zahlen!

2. Zu niedrige Ansprüche? Ich glaube kaum. Das was ich sehe und wahrnehme, was heutzutage schon von Babys erwartet wird (möglichst lange und alleine zu schlafen, friedlich im Kinderwagen oder der Autoschale zu liegen ohne zu quengeln, höchstens alle drei Stunden gestillt werden zu wollen, sich selbst zu beruhigen, nicht zu „trotzen“, immer kooperativ, freundlich und höflich gegenüber allem und jedem zu sein und so weiter und so fort) ist im Gegensatz zu dem, was Babys und Kinder tatsächlich in der Lage sind zu „leisten“ oft völlig übertrieben. Solche Artikel tragen nur noch weiter dazu bei, diese überzogenen Ansprüche zu verstärken.

3. Wer entscheidet denn bitte was „falsches Verhalten“ ist? Vielleicht gehen die Ansichten darüber, was falsches Verhalten ist bei mir und der jeweiligen Lehrkraft ja auch einfach auseinander. In diesem Fall würde mein Kind von mir einfach etwas darüber lernen, dass es wichtig ist, für seine Überzeugungen und Meinungen einzustehen.

Dass uns (fast) allen das Dorf fehlt, dass uns bei der Kindererziehung unterstützt, darin stimme ich mit der Verfasserin überein. Allerdings hat meine Vorstellung von Unterstützung absolut nichts mit dem „Überwachungsstaat“ zu tun, den sie offensichtlich im Sinn hat.

4. Ja, Kinder müssen Geduld lernen – ständig! Wir erwarten täglich von ihnen, dass sie warten, während wir uns unterhalten, telefonieren, einkaufen, unseren Haushalt erledigen, kochen, die Wäsche machen und tausend andere Dinge. Und das sollen sie auch immer noch möglichst ruhig, „brav“ und ohne zu meckern tun.

Wieder eines der Dinge, die eigentlich einen viel zu hohen Anspruch an Kinder stellen, die grade die Welt für sich entdecken. Und was das „es sich leicht machen angeht“: eine Abkürzung zu finden und es sich selbst einfacher zu machen ist eigentlich eher ein Zeichen von Intelligenz und Innovation als vom Gegenteil.

5. Ja, natürlich müssen Kinder lernen, dass auch Eltern ihre Grenzen haben! Und wenn man ihnen das auf die richtige Art und Weise vermittelt – empathisch, zugewandt, die eigenen Bedürfnisse kommunizierend und sie und ihre Emotionen dabei kindgerecht begleitend – dann werden sie weder unhöflich noch selbstsüchtig oder ungeduldig.

Dann werden sie viel eher empathische, zugewandte, ihre eigenen Bedürfnisse kommunizierende Menschen, die adäquat mit ihren eigenen Emotionen umgehen können. Man muss es nur richtig „anpacken“.

 

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