Wenn man sich
für einen bedürfnisorientierten Umgang mit seinem Kind entscheidet, dessen Säulen für mich in jedem Fall Stillen, Tragen und das sogenannte Familienbett sind (und ja, man kann natürlich auch bedürfnisorientiert mit seinem Kind umgehen wenn man nicht stillt!), trifft man häufig auf viel Skepsis, Unverständnis und so unglaublich viele gut gemeinte Ratschläge. Aber das Gegenteil von „gut“ ist eben oft leider „gut gemeint“ wie die Band Kettcar schon vor vielen Jahren sang.
Und obwohl ich, in meinem Sozialarbeitsstudium, sehr viel über die Bindungstheorie nach John Bowlby, auf der die heutige bedürfnisorientierte Babypflege basiert, gelernt und mich entsprechend weitergebildet habe, haben es trotzdem immer wieder Menschen geschafft, mich zu verunsichern. Besonders immer dann, wenn mein Baby (damals) unruhige Tage oder Nächte hatte, in einem Schub steckte oder ihm etwas anderes quer saß.
Ich habe solche Sprüche gehört wie:
„Legst du ihn jetzt schon wieder an? Du hast doch grade erst gestillt, das kann doch nicht gesund sein!“ oder auch „Kein Wunder, dass dein Baby noch nicht krabbelt, wenn du ihn ständig trägst!“ und „Aber er brauch doch jetzt auch mal Brei! Immer nur Muttermilch und das bisschen Essen, das reicht doch nicht!“. Kommt euch irgendwas davon bekannt vor?
Je nach dem wie es mir an dem jeweiligen Tag ging, haben mich solche Sprüche kalt gelassen – oder eben auch nicht. Oft habe ich es zwar noch geschafft, meine bedürfnisorientierte Haltung zu verteidigen, aber in manchen Fällen oder an schlechten Tagen kamen hinterher irgendwann doch die Zweifel. Was, wenn der Andere doch Recht hat, so unwahrscheinlich mir das auch erschien?
In diesen Fällen habe ich angefangen mir immer wieder die gleiche Frage:
„Wie hätte eine Mutter vor 100.000 Jahren das gehandhabt? Wie wäre sie, in der gleichen Situation, mit ihrem Baby umgegangen?“.
Denn Stillen, Beikosteinführung ohne Gläschen, Tragen und das Familienbett sind Dinge, die so alt sind wie die Menschheit. Sie befriedigen die Grundbeürfnisse eines jeden Menschen nach Nahrung, Schutz, Temperaturregulierung, Körperkontakt und sozialem Kontakt. Tatsächlich hat haben die Menschen nur bis heute überlebt, weil die Steinzeitmamas (und vermutlich auch die Papas!) so schlau waren, nicht danach zu fragen, was gut oder richtig ist – sondern danach, was ihren Babys das Überleben sichert. Und das war damals: Muttermilch, das Tragen des Babys am Körper und die Wärme und der Schutz der Eltern in der Nacht, damit das Baby weder auskühlt noch von Wölfen verschleppt wird (und dann im besten Fall als Mogli aufwächst…).
Wie wahrscheinlich ist es,
dass eine Steinzeitmutter auf die Idee gekommen wäre ihr Kind schreien zu lassen, ihm Tee oder einen Schnuller/Finger anzubieten statt zu stillen, oder mit dem Stillen lieber zu warten bis Zeitpunkt X – den sie auch nur anhand der Sonne oder mit zählen hätte bestimmen können? Oder ist es nicht vielleicht viel wahrscheinlicher, dass sie ihr Kind einfach angelegt hat, wenn es quengelig war um zu sehen, ob ihr Baby Hunger oder Durst hat oder das Nuckeln an der Brust es beruhigt?
Wie wahrscheinlich ist es,
dass über all diese Generationen hinweg, in denen die einzige Transportmöglichkeit für Babys und Kleinkinder der Körper der Clanmitglieder war, ein Baby mal deshalb nicht laufen gelernt hat, weil es von seinen Eltern zu viel getragen wurde? Oder ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass bei uns Menschen, die wir als Nomaden körperlich dazu gebaut sind täglich lange Strecken zu Fuß zurückzulegen, die Evolution auch unsere Babys an diesen Umstand angepasst hat?
Wie wahrscheinlich ist es,
dass jede zweite Steinzeitmama sich im Schlaf auf ihr Baby gerollt und es erdrückt hat? Oder ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass die Evolution uns Eltern so aufmerksam gemacht hat, dass das wertvollste, dass wir der Evolution „zurückgeben“ können – nämlich unseren Nachwuchs – unter allen Umständen geschützt wird, damit der Fortbestand unserer Art gewährleistet ist?
Und auf diese Art und Weise konnte ich bisher alle Zweifel, die mir in meiner Zeit als bedürfnisorientierte Mutter so entgegengeworfen wurden problemlos ausräumen und mich wieder den wichtigen Dingen meines Lebens widmen.
Gab es für euch auch eine Frage oder einen Satz, der euch in solchen Situationen weitergeholfen hat?