Dieser Artikel, der bei den Netmoms erschienen ist, macht mich wütend und traurig zugleich. Da erzählen Eltern ihren Kindern also “Notlügen” damit sie pünktlich um 20 Uhr den Tatort gucken können. Oder drohen damit, ihr Kind alleine zu lassen, wenn es jetzt nicht gehorcht und mitkommt. Da wird damit gedroht den Besitz der Kinder in den Müll zu schmeissen, es wird vorgelogen, über etwas nachzudenken, dass man als Erwachsener schon längst entschieden hat und Kinder werden mit “Ich bin in einer Minute da!” abgespeist. Wozu bitte? Mal ganz davon abgesehen, dass ich nicht den Sinn dahinter verstehe mein Kind anzulügen, wenn ich ihm genauso gut die Wahrheit erzählen kann – ich möchte auch nicht so respektlos behandelt und irgendwann von meinem Kind angelogen werden. Denn genau das lernt ein Kind ja von diesem Verhalten der Eltern: dass es okay ist, zu lügen um seinen Willen durchzusetzen.
Und dann wundern sich Eltern irgendwann, dass ihre Kinder, wenn sie älter werden, ihnen Dinge verschweigen, oder auch anfangen zu lügen: “Ich schlafe bei einer Freundin.” – und tatsächlich schläft sie bei ihrem ersten Freund. “Ich bin spätestens um 22 Uhr zu Hause.” – sagt er und kommt nach Mitternacht. “Ich trinke keinen Alkohol!” – und muss dann volltrunken nach dem Flatratesaufen von der Polizeiwache abgeholt werden. Mir ist bewusst, dass es sich hier um Extrembeispiele handelt – allerdings sind es beileibe keine Einzelfälle.
Kinder lernen ALLES am Vorbild, Positives wie Negatives! Und Kinder nehmen sehr viel mehr wahr, als wir glauben. Dieses Video veranschaulicht diesen Sachverhalt sehr drastisch, aber auch sehr deutlich:
Machen wir uns nichts vor: Kinder lernen sowieso irgendwann, zu lügen. Lügen aus Höflichkeit, aus Angst vor den Konsequenzen oder aus einem starken Wunsch heraus. Gewisse Lügen sind sogar notwendig, um ein soziales, gesellschaftsfähiges Wesen zu werden. Das ist ein bisschen traurig, aber unvermeidbar. Trotzdem kann man seinem Kind gegenüber ehrlich sein – und damit den Grundstein für eine vertrauensvolle Beziehung mit seinem Kind legen. Dass wichtigste dabei ist, dass man erstmal sich selbst und seine eigenen Bedürfnisse auf dem Schirm hat. Also kurz innehalten und überlegen “Was will ich eigentlich grade und warum?”. Und dann dieses Bedürfnis ehrlich äußern.
- Nicht “Ich komme in einer Minute.” wenn man es gar nicht vor hat
- sondern “Mama ist erschöpft von der Arbeit und braucht grade mal ein paar Minuten für sich um in Ruhe einen Kaffee zu trinken.”
- Nicht “Wenn du jetzt nicht aufräumst schmeisse ich dein ganzes Spielzeug in den Müll!”
- sondern “Die Unordnung in deinem Zimmer nervt mich und das genervt sein macht mir schlechte Laune. Hast du eine Idee, was wir tun können, damit dein Zimmer ordentlicher wird/bleibt?”
- Nicht “Wenn du jetzt nicht mitkommst lasse ich dich hier stehen!”
- sondern “Ich will/muss jetzt nach Hause gehen und ich möchte dass du mitkommst.” und dann losgehen – manchmal geht es wirklich nicht anders und man muss los.
- Nicht “Ich werde darüber nachdenken.” wenn man es schon längst entschieden hat
- sondern “Ich möchte dass nicht, weil es mir [so und so] damit geht.”
- Nicht “Wenn du die Wahrheit sagst bekommst du keinen Ärger” – es sei denn, man meint es auch tatsächlich so
- sondern “So lange ich nicht weiß, was passiert ist, kann ich dir nicht sagen, wie ich reagieren werde, aber ich höre dir erstmal in Ruhe zu!”
- Nicht “Für dein Spielzeug gibt es leider keine Ersatzbatterien zu kaufen.”
- sondern “Dein Spielzeug ist mir zu laut und tut mir in den Ohren weh. Bitte geh in ein anderes Zimmer und schließ die Tür, wenn du damit spielen willst.”
- Nicht “Ich habe leider grade kein Geld dabei.”
- sondern “Ich möchte dir das (jetzt) nicht kaufen.” – man kann nicht immer alles kaufen, warum sollte man sein Kind deswegen anlügen?
Diese Vorschläge sind aus der Gewaltfreien Kommunikation entlehnt. Sie bedeuten nicht, dass man deshalb nicht trotzdem mit Tränen und Diskussionen rechnen muss – aber sie schaffen auf lange Sicht eine wesentlich ehrlichere Beziehung zwischen Eltern und Kindern insgesamt und können damit vielleicht sogar die oben genannten Extremfälle verhindert werden.
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