Mein zweites Kind kam 10 Tage vor dem errechneten Termin, nachts um 4:40Uhr auf die Welt. Nach einiger Kuschelzeit half mir die Hebamme ihn anzulegen. Es war nun 6 Uhr und die Hebammen hatten Schichtwechsel und waren dementsprechend beschäftigt. Benjamin saugte nur kurz an der Brust und dockte nach ca. einer Minute ab. Ich hatte ein Glöckchen mit dem ich die Hebamme rief. Sie kam, half mir und kaum war sie aus dem Zimmer hatte Benni sich wieder abgedockt. Ich läutete noch einmal und es wiederholte sich. Danach dachte ich: Egal, wir haben ja alle Zeit der Welt zum Stillen. Im Nachhinein denke ich anders über die Situation.
Das Abdocken und nicht richtig trinken begleitete uns durch die 2 Tage die wir im Krankenhaus lagen. Mehrere Laktationsberaterinnen standen uns zur Seite, doch Benjamin bekam die Brustwarze nicht richtig zu fassen und trank entsprechend schlecht.
Meine Nachsorgehebamme bemühte sich ebenfalls, dass Benni gut angelegt wird, aber er nickte an der Brust ständig weg. Es schien als sei es ihm zu anstrengend an der Brust zu trinken. Ich stillte ihn, wann immer er unruhig wurde und quengelte – meist stündlich für 5 bis 10 Minuten. Viel Milch saugte er aber nicht, denn nach 10 Tagen war er immer noch 300g vom Geburtsgewicht entfernt. Da er auch die folgenden Tage nicht zunahm, obwohl er mir fast ununterbrochen an der Brust hing (ich hatte einen Milchstau mit hohem Fieber), riet die Hebamme mir zum zufüttern und parallel abpumpen. Gegen das Abpumen habe ich mich zu dem Zeitpunkt aber gesträubt (wegen schlechter Erfahrungen bei meiner Großen).
Nun stillte ich ihn also erst 2 mal 10 Minuten jede Seite und gab ihm dann ein Fläschchen. Endlich nahm er zu. Die Tendenz war aber eindeutig. Muttermilch bekam er so gut wie keine aus der Brust, dafür bekam er mehr und mehr Pre. Und was mir sehr in Erinnerung geblieben ist aus dieser Zeit, er pupste permanent und unsere ganze Wohnung roch unangenehm Weil ich auf keinen Fall wollte, dass er nur durch Pre ernährt wird, entschied ich mich doch noch für die elektrische Milchpumpe.
Nun stillte ich, gab noch etwas Pre, pumpte danach ab und fütterte ihm die abgepumpte Milch. Ein tagesfüllendes Programm. Meine Hoffnung war, dass er mit zunehmendem Gewicht und „mehr Kraft“ auch lernen würde, ordentlich an der Brust zu trinken. Parallel hatten wir mehrere Termine bei einer Osteopathin. Sein Kiefergelenk saß anscheinend nicht richtig in der Pfanne. Hinsichtlich des Stillens konnte ich aber keine Veränderung oder Verbesserung feststellen, nachdem das behoben wurde.
Nach etwa einer Woche hatte ich soviel Milch, dass wir auf die Pre wieder verzichten konnten. Nun begann mein Abpumpmarathon.
Zwischen diesem Zeitpunkt und dem Abstillen 16 Monate später liegen ca 1920 Mal abpumpen, 57.600 Minuten (960 Stunden) Pumpzeit und etwa 422.400 ml abgepumpte Muttermilch. Zahlen die ich selbst kaum begreifen kann…
Ich habe durchgehalten, Tag und Nacht gepumpt. Ziemlich schnell hat sich ein Rhythmus von 4 mal abpumpen innerhalb von 24 Stunden eingestellt. Ich pumpte eine Menge von 180ml bis 260ml.
Das Pumpen hat unser Leben bestimmt. Ich habe nicht überall gestillt, aber fast überall gepumpt Im Auto, im Zoo, in Freizeitparks, im Flugzeug, im Hotel, bei Freunden Zuhause usw.
Benjamin wuchs und gedieh prima unter der Milch.
Mit 5 Monaten hatten wir unsere erste große (Abpump-)Krise. Ich kam einfach nicht hinter her mit dem pumpen. Die abgepumpte Milch hatte er ruckzuck getrunken und ich musste bereits nach 3 Stunden wieder pumpen, wobei da nur wenig Milch floss. Das alles hat großen psychischen Druck bei mir verursacht. Ich rief meine Hebamme an um bat um Rat. Sie meinte nur, was spricht gegen den Beikoststart und ich dachte nur „Mein Gefühl, dass Benni noch nicht soweit ist.“ Aber in meiner Verzweiflung griff ich auch nach diesem Strohhalm und bat ihm Möhrenbrei an. Den wollte er aber nicht. Er hatte Null Interesse an Essen.
Premilch hatte ich auch angeboten – mein Mann fuhr spät Abends extra ins Krankenhaus um welche zu besorgen, da wir keine Muttermilch mehr hatten und Benni noch Hunger hatte. Aber da wollte er nichts mehr von Ersatzmilch wissen. Wir hatten am nächsten Tag noch eine andere Marke Premilch gekauft, aber er erkannte schon am Geruch der Flasche, dass es ihm nicht schmecken würde und lehnte sie ab. Irgendwie macht es einen ja „stolz“, aber zu dem Zeitpunkt wäre es eine große Erleichterung und psychische wie physische Entlastung gewesen.
Ich tat alles um meine Milchmenge zu steigern, und nach 3 Tagen hatte es sich wieder eingependelt. Ich pumpte nun wieder die Menge, die Benni brauchte.
Solche Krisen begleiteten uns immer mal wieder. Ich nehme an, immer wenn er einen Wachstumsschub hatte. Es war deutlich schwieriger die Milchmenge mit der Pumpe anzupassen, als wenn man einfach nur nach Bedarf anlegen kann.
Manchmal floss die Milch wie von alleine und ich pumpte Spitzenmengen von 280ml. Oft kämpfte ich um jeden Tropfen. Jetzt, wo ich das niederschreibe, kämpfe ich mit den Tränen, weil es mich soviel Kraft gekostet hat. Oft habe ich mit schlafendem Kind auf dem Rücken abgepumpt und nebenbei meiner Tochter eine Geschichte vorgelesen. Nachts musste ich aufstehen, obwohl mein „Schlechter-Schläfer“ gerade schlief; und wenn nicht, musste ich das pumpen unterbrechen und danach wieder „von vorne anfangen“. Oft lag Benni nach 10 Minuten weinend neben mir auf der Couch oder in der Krabbelbox und fing an zu meckern und weinen und verstand nicht, warum ich ihn nicht nehme, obwohl ich doch da bin. Er ließ sich mit Worten nicht beruhigen. Oft musste ich meiner Tochter sagen, wir gehen raus, wenn ich fertig gepumpt habe, ich mach dir was zu essen, wenn ich fertig bin usw.
Die letzte Amtshandlung des Tages – pumpen.
Irgendwann kam die Zeit wo es meinem Mann begann auf den Keks zu gehen, wenn ich sagte „Ich muss aber noch pumpen“ oder „Wie machen wir es mit dem pumpen?“. Er hat mich weitestgehend unterstützt, aber irgendwann war er davon angenervt.
Nach ca 8 Monaten kam ein weiteres Problem dazu. Ich musste alle 4 Wochen ein Rezept vom Frauenarzt für die elektrische Milchpumpe besorgen. Die Sprechstundenhilfe fragte jedes Mal mit was für einer Begründung sie mir das Rezept ausstellen soll. Die Damen in der Apotheke sagten, sie müssen das erst bei der Krankenkasse genehmigen lassen und normaaaalerweise würde eine Milchpumpe nach so langer Zeit nicht mehr genehmigt werden. Irgendwann kam dann ein Anruf von der Apotheke der Antrag sei abgelehnt worden. Ich setzte mich also mit meiner Krankenkasse in Verbindung, die mir aber versicherte, dass sie den Antrag genehmigt hätten. Das ganze wiederholte sich noch 2mal und bereitete mir zusätzlichen Stress, denn mein Kind nahm auch mit 12 Monaten noch nichts anderes zu sich als Muttermilch. Das kam wiederum der Kinderärztin komisch vor. Grund genug uns in einer Kinderpädiatrie vorzustellen. Benjamin hatte Probleme mit dem Schlucken von Lebensmitteln. Er erwürgte alles. Organische Ursachen wurden hierfür nicht gefunden, aber ich schließe einen Zusammenhang zum nicht-ordentlich-an-der-Brust-trinken nicht aus.
Ich sollte dann peau a peau die Milchmenge reduzieren. Als Benjamin 14 Monate alt war reduzierte ich auf 3 mal abpumpen und Benjamin aß mini, mini, mini Mengen Essen. Mit 15 Monaten reduzierte ich auf 2 mal pumpen. Ich hatte inzwischen eine wunde Brustwarze. Ein Riss machte mir besonders zu schaffen. Er wuchs zwischen dem Abpumpen zu und riss jedes Mal wieder auf, wenn ich pumpen musste. Das war mit furchtbaren Schmerzen verbunden. Meine Brustwarzen hatten endgültig genug. Der Riss ging inzwischen die halbe Brustwarze entlang. Ich wendete mich an eine Stillberaterin, die mir zu Mother mates riet. Die Wunden konnten aber nicht schnell genug verheilen, die Saugkraft der Pumpe war zu stark. Zu der Zeit kam oft Blut in die Milch, die Benni dann nicht trinken wollte. Es war meine „gute“ Brust, die etwa doppelt soviel Milch produzierte wie die andere. Ich hatte inzwischen riesige Angst vor dem Pumpen und den damit verbundenen Schmerzen. Es bildeten sich nach ca. 3 Wochen noch mehr Risse auf der rechten Seite und einer auf der Linken. Ich war am Ende. Nun kontaktierte ich die Stillberaterin und bat um Hilfe zum Abstillen. So nahm ich eine Woche lang Phytolacca und trank Salbeitee und pumpte nur eine kleine Menge. Beim letzten Mal Muttermilch füttern saß ich weinend da, ich bat meinen Sohn mir nicht böse zu sein, dass es nun keine Milch mehr geben würde. In mir war soviel Traurigkeit und Angst. Ich würde ihm nun nichts mehr Gutes geben können. Mein Sohn, inzwischen 16 Monate alt, aß zu der Zeit immer noch nichts außer Joghurt und zerquetschte Banane.
Nach 3 Tagen nicht pumpen ging es mir sehr schlecht und ich bekam Fieber. Es hatte sich ein Milchstau gebildet. Einen Tag vorm Urlaub bekam ich ein Antibiotikum verschrieben und es ging mir schnell besser. Die nächsten 3 Wochen waren wir im Urlaub und ich war gut abgelenkt. Zuhause angekommen hatte ich 2 Nachrichten von der Stillberaterin auf dem Band. Sie machte sich Sorgen um mich und bat mich um einen Rückruf. Das Gespräch mit ihr war sehr, sehr wichtig für mich. Denn ich erzählte ihr meine ganze Geschichte und als es ums Abstillen ging, fing ich an zu zittern und merkte, dass ich es noch gar nicht verarbeitet hatte.
Inzwischen sind fast 6 Monate vergangen und ich habe mich damit angefunden, dass es so abrupt endete. Ich denke mit gemischten Gefühlen an die Zeit zurück, bin aber alles in allem einfach nur dankbar, dass ich ihm so viel Wertvolles geben konnte.
Ich teile meine Freude mit euch
“… einfach nur dankbar, dass ich ihm so viel Wertvolles geben konnte.”. (Stillgeschichte von Katharina und Benni)
Posted on 25. Januar 2017
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