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Abpumpen

Ich teile meine Freude mit euch Ich teile meine Trauer mit euch Stillgeschichten

„Irgendwann bin ich eingeschlafen. Ich mit der Pumpe.“ – Stillgeschichte

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Ich glaube, ich schlafe. Ich schlafe und das ist ein Alptraum.

Tag 1 nach dem Kaiserschnitt.

Ich sehe nichts. Ich sitze mit der elektrischen Pumpe auf meinem Krankenhausbett, soll abpumpen und sehe nichts. Die Schwester kam vorhin vorbei, stellte die Pumpe neben mir, erklärte kurz wie sie geht und bevor sie die Tür hinter sich schliesst, schaltet sie das Licht aus. Wahrscheinlich ein Automatismus, gar nicht böse gemeint. Aber nun kann ich nichts sehen. Die Pumpe ist an beiden Brüsten angedockt und ich habe keine Hände frei. Viel bewegen kann ich mich wegen der Narbe auch nicht. Ich drehe mich hektisch und schaffe, mit dem Ellenbogen zu klingeln. Und klingeln. Und klingeln. Keiner kommt. Ich schluchze leise. Im Hintergrund schnarcht meine Zimmernachbarin. Das ist eine Schwangere, die, wie ich kurz mitbekommen habe, eine Risikoschwangerschaft hat und vielleicht ihr Kind verliert. Sie ignoriert mich die ganze Zeit. Wahrscheinlich ist es ihr zu viel zu ertragen, dass eine Frau mit ihr das Zimmer teilt, die ein gesundes Kind geboren hat. Selbst wenn dieses Kind in der Säuglingsklinik unterzuckert liegt. Ja, das ist richtig. Ich liege nicht auf der Wochenbettstation. Dort ist gerade kein Platz. Ich liege auf der Station für Risikoschwangerschaften.

Irgendwann bin ich eingeschlafen. Ich mit der Pumpe.

Am nächsten Tag werde ich mit meinem Baby in die Wochenbettstation verlegt und habe eine neue, überglückliche Zimmernachbarin. Sie feiert gemeinsam mit der Familie die schöne, natürliche Geburt ihres Kindes und dass sie sofort stillen kann. Ich glaube, ich hasse sie. Ich kann das nicht aushalten, dieses Glück. Denn bei mir geht alles den Bach runter. Nach drei Tage Einleiten ein Kaiserschnitt und nun klappt es mit dem Stillen nicht. Die Stillberaterin sei in Urlaub. Die einzige „Hilfestellung“, die ich bekomme, ist: „Ach, wissen Sie, Sie müssen es mit dem Anlegen immer wieder probieren“. Mehr nicht. Ich gucke mein Kind an, es guckt mich an, wir fragen uns: wie denn, bitte schön?

Am Tag 4 werde ich entlassen

und kann immer noch nicht stillen. Meine Hebamme setzt sich neben mir, gibt mir ein paar Anweisung und in fünf Minuten habe ich gestillt als hätte ich nie etwas anders in meinem Leben gemacht. Ich bin begeistert, glücklich, geflasht, erleichtert, dankbar. Und einige Zeit später traurig, enttäuscht, niedergeschlagen, verbittert. Fünf Minuten. Fünf Minuten lange hätte sich jemand neben mich hinsetzen müssen. Mehr nicht. Stattdessen saß ich nachts im „Abpumpraum“ und habe mich wie die letzte Versagerin gefühlt.

Vier Jahre später…

bringe ich selbst, aus eigener Kraft mein zweites Kind zur Welt. Eine wunderschöne Hausgeburt, begleitet von zwei tollen Hebammen. Mein Kind wird mir sofort auf den Bauch gelegt und trinkt. Diese überwältigende Erfahrung sollten alle, wirklich alle Mutter machen dürfen.

Ich teile meine Trauer mit euch Stillgeschichten

„Abpumpen auf der Intensivstation – ein Still-Albtraum“ – Stillgeschichte

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Vorsicht, Spoiler: Das hier wird keine schöne Geschichte. Wenn du gerade schwanger und voller Hormone bist, dann lies sie lieber nicht…

Frühgeburt. Wut. Verzweiflung. Trauer. Schmerzen. Gefühlschaos. Werden die Kinder überleben? Micky ist halbwegs fit, aber um die kleine Mouse steht es kritisch. Überall Schläuche, piepsende Gerätschaften, Personal in steriler Kleidung. Bevor man die Kinder besucht, muss man durch eine Schleuse um sich zu desinfizieren. Irgendwie habe ich mir das alles ganz anders vorgestellt. Mehr Plüsch. Weniger Kabel.

Etwa zwei Minuten habe ich die Kinder jetzt auf der Intensivstation gesehen. Im Rollstuhl hat man mich hingefahren. Ich hab sie nur gesehen. Nicht berührt. Eine Krankenschwester drückt mir ein Foto der beiden in die Hand. Und eine Milchpumpe. „Schauen Sie das Bild beim Abpumpen an, das hilft bei der Milchbildung.“ Die Kinder sehen auf dem Foto aus wie Aliens, völlig verkabelt mit durchsichtiger Haut. Nicht nach Mensch und eigentlich sehr furchteinflößend. Ich habe sie noch nie berührt, pumpe aber Milch ab. An die Geburt erinnere ich mich nicht. Es war ein Notkaiserschnitt in Vollnarkose.

Die Milchpumpe surrt.

Das dickflüssige Kolostrum kommt. „Kolostrum ist jetzt sehr wichtig für Ihre Kinder. Es ist die erste Impfung“, sagt die Krankenschwester. „Es ist das Einzige was Sie für die Zwillinge tun können.“ Und so pumpe ich. Es fühlt sich nicht schön an. Es ist unnatürlich und das Geräusch ist eigenartig. Ich bin traurig. Müde. Enttäuscht. Ich habe Angst. Und die Pumpe surrt. Und surrt. Ganz gleichmäßig. So gleichmäßig wie das Piepsen des Herzmonitors der Kinder…

Im Krankenhaus auf der Neugeborenen-Intensivstation gibt es ein eigenes Zimmer zum Abpumpen der Milch. Damit man so eine Art Privatsphäre hat. Die hat man natürlich nicht. Denn da sitzen viele Mütter und pumpen ab. Und sie haben alle ihre eigene – meist sehr traurige – Geschichte. Das sieht man schon an ihren Blicken. Geschichten, die man gar nicht hören will, weil man mit sich selbst beschäftigt ist. Viele Babys die viel zu früh gekommen sind wie meine Zwillinge. Manche haben einen Gendefekt. Andere wiederum warten auf eine Herz-OP. Die kleinen Patienten hier haben allesamt einen sehr bescheidenen Start ins Leben. Und die Eltern leiden mit, sehen verzweifelt und ohnmächtig zu. Sind heillos überfordert. So wie ich: Was wenn die Zwillinge sterben? Muss ich ein Grab kaufen? Was mache ich mit all dem Babykram? Kann ich den Wagen verkaufen? Viele Gedanken flitzen durch den Kopf. Es sind keine schönen Gedanken. Und die Pumpe surrt und surrt. Ganz monoton. Ganz verlässlich…

Etwa 30 Minuten sitze ich

um 200 ml pro Brust abpumpen zu können. Es ist aufwändig und mühsam, schließlich muss man die Pumpe immer wieder desinfizieren. Ständig kommt jemand Neuer in den Raum, dem man seine Brüste zeigt. Die Milch wird in Glasflaschen gesammelt, beschriftet und anschließend eingefroren. So können die Kinder meine Milch haben, auch wenn ich nicht im Krankenhaus bin. Die Milch wird dann also zu den Mahlzeiten aufgewärmt und den Kindern mit der Sonde über die Nase gegeben. Dabei müssen gewisse Zeiten eingehalten werden. Wird die Milch länger als eine Stunde aufgewärmt, so muss sie wegen der krankenhausinternen Hygiene-Vorschrift entsorgt werden. Und so sehe ich einer Krankenschwester zu, wie sie jene Milch, für die ich mich 30 Minuten bemüht habe um sie abzupumpen, achtlos in den Ausguss schüttet… Es fehlt mir die Kraft um mich zu beschweren. Keine Energie für Konflikte.

 

Mit einem Start wie diesem war das Stillen nicht schön behaftet.

Ich habe zwar noch eine Zeit lang abgepumpt, weil ich meinen Kindern Gutes tun wolle. Wir haben auch das Stillen probiert. Das war insofern schwierig, weil ich nie genau wusste, ob sie genug getrunken hatten. Wenn ich gestillt habe, war das Gefühl durchaus schön. Es fühlte sich einfach so normal an. Im Großen und Ganzen habe ich aber nach vier Monaten abgestillt. Vermutlich aus reiner Psychohygiene. Den Kindern hat die Flaschenmilch nicht geschadet.

Unter „Einer schreit immer“ (www.einerschreitimmer.com) bloggt Zwillingsmama Anni meist sehr humorvoll und schonunglos ehrlich über ihr chaotisches Leben mit Zwillingen. Mehr zum Thema Zwillinge stillen findet ihr hier.

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