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“Der Fluch der Pränataldiagnostik” oder “Die Hoffnung „stirbt“ zuletzt

Statt einer Stillgeschichte gibt es heute die Geschichte einer Freundin über ihre Erfahrungen mit Pränataldiagnostik:

“Sollte doch dieses Mal alles anders werden. Natürlich und selbstbestimmt. In Ruhe und vollkommener Harmonie sollte mein zweites Kind zur Welt kommen. Meine erste Geburt war katastrophal abgelaufen. Zu der Ungeduld einer Erstgebärenden gesellten sich extreme Schmerzen eines beidseitigen Nierenstaus. Trotzdem hielt ich schon damals an meiner außerklinischen Geburt fest. Es kam jedoch alles anders. Ich bekam schwallartige Blutungen und fuhr mit meinen Mann damals sofort ins Krankenhaus. Um das ganze hier abzukürzen. Mein Sohn wurde geboren. Per sekundärer Not Sectio. Er landete direkt auf der Intensiv. Beatmet und in einem Inkubator. Nach drei Tagen der erste Kontakt. Am 5.Tag entließ ich mich trotz Bauchdeckenhämatoms um bei ihm sein zu können. Ich bekam jedoch so starke Nachblutungen, dass ich noch mal operiert werden musste. Unsere Beziehung, die gerade erst angefangen hatte sich auszubilden, wieder gestört. Nach 10 Tagen entließ ich mich und meinen Sohn gegen ärztlichen Rat aus der Klinik. Dank Depressionen und meiner körperlichen Verfassung (und ich muss heute sagen, dank einer nicht im Bereich stillen geschulten Hebamme und dem nicht wissen über das Dasein von Stillberaterinnen) habe ich nach 9 Wochen abgestillt. Mein Sohn ist ein absolutes Schreikind. Auch heute noch nach über 2 Jahren.

Trotzdem wuchs in mir schnell der Wunsch nach einem zweiten Kind. Wollte ich doch immer zwei Kinder im geringen Abstand. Sofort stellte sich auch eine erneute Schwangerschaft ein. Eine totale Wunsch Schwangerschaft. Wusste ich doch sofort, dass etwas in mir wuchs. Neues Leben.

Ich wusste, ich wollte keine medizinischen Interventionen oder nur die nötigsten und ich wollte eine Hausgeburt. (Wohlgemerkt stellte sich die Schwangerschaft 20 Wochen nach dem Kaiserschnitt ein).

Eine Hausgeburtshebamme war nicht einfach zu finden, jedoch fand ich eine, die mich zu meinem Gynäkologen schickte (der absolut kein Problem in meinem Vorhaben sah spontan zuhause nach so kurzer Zeit zu entbinden), um noch einmal Sitz der Plazenta und das Baby anschauen zu lassen.

Durch meinen Beruf weis ich wie lange solche Routine Schalls dauern. Und dieser dauerte unendlich lange. Mein Mann und mein großer Sohn begleiteten mich und als der Gynäkologe das Wort „Plexuszyste“ aussprach, war mir erst einmal nicht bewusst, was dieses bedeuten würde. Google war mein erster Ansprechpartner. Die dort gefundenen Informationen bereiteten mir natürlich direkt Kopfzerbrechen. Stand da etwas von „Trisomie 18“ „Organschädigungen“ „Organfehlbildungen“.

So etwas konnte nicht sein. Es war eine einfache Plexuszyste ohne Krankheitswert. So musste es sein. Ich wollte doch niemals eine so intensive Ultraschall Untersuchung, wie sie mir empfohlen wurde bei einem Pränatal Mediziner.

Warum auch immer, machte ich jedoch schnell einen Termin bei genau eben so einem Pränatalmediziner aus und bekam ihn auch für die nächste Woche. Ich war ja schon in einer relativ späten Woche.

Wir parkten also den Großen bei der Oma und fuhren in die Praxis. Immer noch mit dem Gedanken, dass wir ein paar nette Bilder bekommen würden und ein wenig Zeit vertrödeln, jedoch nicht mit einer ernsthaften Diagnose wieder nach Hause kommen würden.

Wir mussten relativ lange warten und irgendwann saßen wir im Ultraschallzimmer. Es gab kein Zurück mehr.

In dem Moment überkam mich wieder dieses Gefühl wie damals kurz vor der Narkose des Kaiserschnittes. Etwas lief hier falsch. Aber wieder habe ich nicht auf mein Bauchgefühl gehört.

Wieder dauerte der Schall ungewöhnlich lange und plötzlich wurde der Arzt sehr ernst und zählte uns eine Latte von Fehlbildungen auf, von denen bislang niemand gesprochen hatte.

Schockstarre. Ich telefonierte geistesgegenwärtig mit meiner Hebamme und fragte sie um Rat. Ich Weis heute nicht mehr, was sie mir riet.

Einige Stunden später saßen wir beim Humangenetiker, der für uns noch einen kurzfristigen Termin frei hatte. Er erklärte uns, wie es zu solchen Fehlbildungen kommen kann und wodurch diese Ausgelöst werden. „Chromosomen“ „Fehlbildungen“ „Gendefekte“ Erbkrankheiten. Waren doch beide Seiten der Familie gesund? Wie konnte das sein?

Er zählte uns mehrere Verfahren zur weiteren Diagnostik auf.

Fruchtwasser Untersuchung.Bluttest.

Letzen Endes blieb uns nur die Fruchtwasser Untersuchung übrig. Mit dem Größten Risiko. Dem Abort. Dieses Wort war riesengroß in meinem Kopf. Unendlich viel Angst genau vor diesem Risiko.

Ich wollte dieses Kind. Jedoch wollte ich kein „behindertes“ Kind. Konnte mir nicht vorstellen eben ein solches großzuziehen.

Man wollte die Untersuchung direkt dort vornehmen. Direkt auf der Stelle. Ich entschied mich zunächst dagegen. Dann wieder dafür. So ging es einige Male hin und her und letzen Endes stand da eine Diagnose. Trisomie 18und dieses Kind – mein Kind- sollte entweder in der Schwangerschaft noch oder nach der Geburt versterben.

Man könne ES auch noch direkt abtreiben. ES?

So fühlte es sich zumindest an. Ein Klumpen Dreck in meinem Bauch. Vollkommen unfähig etwas zu fühlen. Die nächsten Tage verbrachte ich Rotz und Wasser heulend im Bett. Allmählich fand ich erst wieder in den Alltag zurück um kurz drauf mit Vorzeitigen Wehen und einer neuen gefundenen Fehlbildungen im Krankenhaus mich wieder zu finden.

„Ja, Frau XX. Ihr Kind ist ja so krank, dass es nun endlich geboren werden möchte und dann sterben wird. Wir können versuchen die Wehen mit Wehenhemmern noch etwas in den Griff zu bekommen, aber lange wird das nicht klappen. Ich saß nackig umgeben von vielen Ärzten auf einem Untersuchungsstuhl, als ich diese Aussage bekam.

Ich ließ alles über mich ergehen. Gab mein Baby, inzwischen 11 Monate alt bei meiner Schwägerin ab (heute tut mir dieses  unendlich Leid)  und lag 3 Tage stationär mit Herzrasen, dank Medikamenten und dem Gedanken, dass die Schwangerschaft bald zu Ende sein würde und ich bald deine Beerdigung vorzubereiten hätte. Die Wehen blieben gleich stark. Ich wachte langsam auf. Ich wollte zu meinem Sohn und sollte dieses ES in meinem Bauch doch die Geburt bekommen, die es ursprünglich bekommen sollte. Selbstbestimmt und in Ruhe und Frieden zuhause. Ich entließ mich. Nicht ohne Unterschreiben zu müssen, dass ich den Tod des Kindes billigend in Kauf nehme. Ich wollte jedoch für ihn keine Bauchgeburt via Sectio und anschließende Aufbewahrung in einem Inkubator.

Ich ging nach Hause. Freunden, Familie und Bekannten erzählten wir alles sei gut. Auch unseren Eltern erzählten wir nicht, wie schlimm es wirklich um unser Kind stand.

Nichts geschah…..

Irgendwann überkam mich der Gedanke mir eine zweite Meinung einzuholen. Der aufgesuchte Professor setzte zunächst die Wehenhemmer ab, da sie laut seinen Studien keinen Sinn und Zweck machen. (http://klinikum.uni-muenster.de/index.php?id=3637&tx_ttnews%5Btt_news%5D=773&cHash=c10acc88c44478e62b803b0b70c27378). Er fand nichts. Natürlich die ein oder andere Fehlbildung an den Organen, aber nichts, was nicht mit dem Leben vereinbar wäre.

Im ersten Moment totale Euphorie. Dann wusste ich nicht mehr wo hinten und vorn ist. Wem sollte ich glauben. Auf mein Bauchgefühl hören? Ich fühlte einen Klumpen. Wollte doch endlich entbinden, damit der Horror vorbei ist. Ich sprach viel mit einer Freundin, die mir dazu riet tief in mich zu gehen und daran festzuhalten, woran ich ursprünglich geglaubt hatte.

Ich hatte inzwischen einen Termin zur Einleitung bei 37+0 bekommen, den ich aber nicht wahrnahm. Die andauernden Wehen machten mich mürbe, traurig und erschöpft. 37+5 morgens. Wieder Blutungen. In mir die Gewissheit. Das war es jetzt. Jetzt ist ES tot. Ich hatte zwar inzwischen mithilfe meines Mannes und eines Malers ein notdürftiges Kinderzimmer hergerichtet, aber es schon mehr als Erinnerungszimmer eingerichtet, als ein funktionstüchtiges Kinderzimmer.

Meine Wehen wurden auch stärker an diesem Tag. ES lebte aber noch. Wir hatten ja auch noch keinen Namen. Wozu?

Mir wurde ein wenig Gel an den Muttermund gelegt, damit die Geburt zügiger voran schritt (heute frage ich mich natürlich zu Recht, ob es nötig war)

Die Wehen waren auszuhalten und binnen kürzester Zeit gebar ich einen Jungen. Ich hockte am Seit auf dem Bett und er lag zwischen meinen Beinen. Ganz plötzlich. Hatte ich doch nicht mal ein richtiges Pressgefühl gehabt, sondern nur mal schauen wollen, wie das Gefühl beim Mitdrücken ist. Immer noch mit dem Gedanken gleich stirbt er, wenn er da ist. Doch dann.

Er schaute mich an. Ich schaute ihn an.

„Mama. Guck mich an. Ich bin gesund, ich Lebe. Ich will bei dir leben. Nimm mich doch endlich hoch.“

Und dann schrie er. Schrie alle Wut raus. Schrie heraus, was ich lange gefühlt hatte.

Ich gab ihn nicht mehr aus der Hand. Immer noch in der Angst, dass er gleich gehen würde. Für immer

Nichts geschah. Die Routine Versorgung ließ ich über mich ergehen. Auch den Kinderärztlichen Check.

Nichts.

Natürlich hatte er das ein oder andere. Aber alles ohne Konsequenzen auf sein späteres und jetziges Leben.

Ich ging sofort mit ihm am nächsten Tag nach Hause. Trug ihn fortan bis er 6 Monate alt war konsequent im Tuch. Wollte ihn nicht mehr loslassen.

Dieses Verhalten spiegelte sich auch in seinem Stillverhalten wieder. ER ließ einfach nicht los und wir stillten 4 Monate lang tag und Nacht. Dann wurde es allmählich besser.

Wir gaben ihm dem Namen A. Der Kämpfer.

Doch plötzlich verhielt er sich nicht so, wie ein Kind sich in dem Alter verhalten sollte. Erneut kam alle Angst wieder hoch. Letzten Endes waren nur starke Blockaden schuld. Wir turnen seit dem mit einer lieben Physiotherapeutin und er macht unglaubliche Fortschritte. Bald feiert er seinen ersten Geburtstag und ich bin immer noch sehr glücklich darüber, dass er lebt.

Natürlich sind in mir immer noch genügend Ängste. Auch ist es mit meinen zwei Rabauken nicht gerade immer harmonisch. Aber er lebt. Und er ist kerngesund.

Und ich hätte von Anfang an auf mein Gefühl hören sollen, als auch ein technisches Gerät. In mir ist etwas mit der Diagnose gestorben. Die Hoffnung jedoch nie. Die Hoffnung, dass alles nur ein Irrtum ist.

Ich weiß bis heute nicht, wie ein Labor diese Diagnose hat stellen können.

 

Vertraut auf euch und euer Gefühl und seit euch der Konsequenzen bewusst, die eine mögliche Diagnose beim Pränatalmediziner mit sich ziehen kann. Es ist nicht nur „nette“ Bildchen machen, sondern sehr viel mehr. Es ist Leben, Hoffnung und ganz viel Angst.

Ich bin in den Teufelskreislauf Pränatalmedizin geraten und bin immer tiefer hinein gezogen worden. Eine der schlimmsten Erfahrungen in meinem Leben.”

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