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Warum erschöpfte Mütter keine Facebook Posts brauchen

Hi! Mein Name ist Jasmin Kreitmeier. Ich blogge auf Mamaherz und Bauchgefühl über attachment parenting, das artgerechte Leben mit Babys und über Mama-Burnout und (Wochenbett-) Depressionen. Ich bin selbst Mama von zwei Kindern und begleite als Stillberaterin, artgerecht Coach und Sozialpädagogin, junge Mütter (Eltern) on- und offline auf ihrem individuellen Weg ins bindungs- und bedürfnisorientierte (oder artgerechte) Familienleben. Und ich hab sowohl Burnout, als auch Wochenbettdepression selbst durchgemacht und überstanden.

Ganz ehrlich, wenn ich solche Artikel lese, wie sie auf fb immer wieder geteilt und mit likes und Herzchen versehen werden (der hier zum Beispiel), stellen sich mir die Nackenhaare auf. Oder ich frag mich einfach, wie blind wir manchmal sind. Denn nicht immer ist die Situation so einfach, wie es sich anhört. Diese Artikel, die von Vätern erzählen, die feststellen, wieviel ihre Frauen alleine Zuhause mit einem Baby doch alles schaffen und was sie alles meistern müssen. Während sie in der Arbeit sind und das Geld verdienen. Wie wenig Anerkennung ihre Frauen eigentlich bekommen. Wie wenig Hilfe und Unterstützung und wie wertvoll diese Arbeit als Mutter doch eigentlich ist.
Dann posten diese stolzen Väter ihre Anerkennung auf FB, wie wundervoll sie es doch finden, wenn ihre Frau den ganzen Tag lang nichts isst, weil sie sich nur mit ihrem Baby beschäftigt. Weil sie aufsteht und das Baby stillt oder füttert, dann den Haushalt macht und kocht, das Baby zum Schlafen hinlegt und wenn es wieder wach ist, wieder mit ihm spielt. Und wenn der Papa dann nach Hause kommt, total k.o. mit Kind am schlafen ist und immer noch nichts gegessen hat. Welche Mutter wird gerne in aller Öffentlichkeit so bloß gestellt?! Statt so etwas zu posten, wäre es besser, er würde den Zustand seiner Frau erkennen und mit ihr darüber sprechen und mit ihr Hilfe in die Wege leiten.

Warum ich diese Artikel so schlimm finde

….ist, weil die Männer voll des Lobes und der Anerkennung sind für ihre Frauen und diese Verhaltensweise von ihren Frauen als ganz normal betrachten. Sich für ihr Kind aufzuopfern und ihre eigenen Bedürfnisse zu verleugnen, bis hin zur Selbstaufgabe. Wie kann das normal sein? Es ist nicht normal. Es ist gefährlich. Wie gesagt, ich spreche aus eigener Erfahrung. Ganz besonders gefährlich dabei ist, dass es keinem auffällt, wie schlecht es so einer Mutter gehen kann. Nur Mütter die das ganze selbst erlebt haben, bei denen gehen oft die Alarmglocken an. Wenn sie hören oder lesen, dass die Mutter sich nicht um sich selbst kümmert, den ganzen Tag nichts isst. Wie gesund kann das sein? Wie gut kann eine Mutter sich um ihr Kind kümmern, wenn sie nicht bei Kräften bleibt, weil sie sich nicht drum kümmert genug zu essen. Wie bedürfnisorientiert kann eine Mutter sein und ihrem Kind vorleben, dass Bedürfnisse wichtig sind und dass man auf die eigenen Bedürfnisse achten muss, wenn sie ihre eigenen Bedürfnisse komplett ignoriert.

Es ist nicht normal. Nicht für „Mainstream“-Mamas und nicht für bedürfnisorientierte/ attachment parenting-Mamas. Die Biologie hat zwar vorgesehen, dass Mütter ihre eigenen Bedürfnisse als nicht mehr ganz so wichtig einstufen, um sich fürsorglich den Bedürfnissen ihres Nachwuchses zu widmen und die Erhaltung der Art zu gewährleisten. Trotzdem ist es wichtig auf die eigenen Bedürfnisse zu achten. Genug zu essen, zu trinken, zu schlafen, mal raus zu kommen an die frische Luft, Freunde zu treffen und sich mal mit Gleichgesinnten auszutauschen. Nicht immer nur in der Bude sitzen und die eigenen vier Wände auf sich zukommen zu sehen, während man versucht seinem Baby ein schönes Leben zu machen. Jede andere Tier-Mama (ja, Menschen sind auch nur Tiere) muss auch auf ihre (wichtigsten) Bedürfnisse achten. Eine Fuchs-Mama, die nicht regelmäßig den Bau verlässt um zu jagen, würde neben ihren Jungen verhungern und diese gleich mit. Nur so als Beispiel.

Höllentrip mit verstecktem Notausgang

Eine Mutter die nicht auf sich selbst achtet, landet zwangsläufig in einem Mama-Burnout und ein Burnout endet häufig in einer Depression. Du hast kein Gefühl mehr für dich selbst, weil du dich selbst so lange ignoriert hast. Abgesehen von deinem Kind hast du keinen Sinn mehr in deinem Leben und keine Freude mehr. Überhaupt, etwas zu fühlen wird schwierig. Du läufst nur noch auf Autopilot. Für dein Kind. Aber von deinem Leben ist nicht mehr viel übrig. Von dir selbst auch nicht. Ein Höllentrip. Das muss aber nicht sein. Im Problem liegt gleichzeitig auch schon die Lösung (der Notausgang).
Du musst einen Weg finden, einen Mittelweg zwischen deinen Bedürfnissen und denen deines Kindes. Dich nicht selbst aufgeben dafür. Denn wenn du keine Kraft mehr hast, weil du dich nicht um dich kümmerst, wer soll sich dann um dein Kind kümmern?! Wenn du nicht genug Schlaf hattest, wer ist dann ausgeschlafen und fröhlich genug, um mit deinem Kind zu spielen und zu lachen und zu toben?!

Im Überblick

Symptome für einen Burnout:

ein Zustand großer Erschöpfung; permanente Müdigkeit, Kraftlosigkeit
Mangelndes Interesse am Beruf oder Aufgabenbereich
innere Unruhe
Gefühle des Versagens, der Sinnlosigkeit
Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen
Lustlosigkeit, Übellaunigkeit, Gereiztheit
Stimmungsschwankungen
Schlafstörungen
Gefühle der Überforderung/Überlastung
Verzweiflung bis hin zu Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit
körperliche Symptome ( Kopf- und Rückenschmerzen, Magen-/ Darm-Beschwerden, Herz-/ Kreislaufprobleme, Schwindel, häufige Infekte, Hörstörungen, wie Hörsturz oder Tinnitus)
(Erschöpfungs-) Depressionen
(Quelle)

Symptome für eine Depression:

Müdigkeit, Erschöpfung, Energiemangel
Traurigkeit, häufiges Weinen
Inneres Leeregefühl
allgemeines Desinteresse
zwiespältige Gefühle gegenüber dem Kind
Konzentrations- und Schlafstörungen
gedrückte Stimmung, Niedergeschlagenheit
Schuld-, Versagensgefühle
Hoffnungslosigkeit
Appetitlosigkeit
Ängste, extreme Reizbarkeit, Panikattacken, Zwangsgedanken (wiederkehrende destruktive Vorstellungen und Bilder, die nicht in die Tat umgesetzt werden)
Selbstmordgedanken
(Quelle)

Diese Symptome müssen länger als zwei Wochen bestehen.

Im Flugzeug

Ich liebe den Vergleich von den Flugzeugturbulenzen (Druckabfall in der Kabine). Wenn ein Flugzeug in Turbulenzen gerät und die Atemmasken runterfallen, wem setzt du dann die Maske zuerst auf? Deinem Kind oder dir selbst? Bei solchen Turbulenzen fällt der Luftdruck und Sauerstoffgehalt der Luft dramatisch. Du musst zuerst dir selbst die Maske aufsetzen, damit du genug Sauerstoff bekommst. Denn wenn du nicht mehr genug Sauerstoff bekommst, bist du bewusstlos. Dann kannst du deinem Kind nicht mehr helfen. Erst wenn du die Maske auf hast kannst du auch deinem Kind die Maske aufsetzen und zuverlässig für es da sein. Denn wenn du deinem Kind zuerst die Maske aufsetzt und selbst bewusstlos wirst, ist dein Kind auf sich allein gestellt. Und das ist etwas, das keine Mutter will.

Dein Leben, deine Verantwortung

Fang an für dich selbst die Verantwortung zu übernehmen. Überleg dir, mit welchem ersten kleinen Schritt du dein Leben wieder in die Hand nehmen kannst. Was brauchst du, damit es dir gut geht? Regelmäßiges Essen, genug Schlaf, täglich ein Spaziergang draußen in der Natur, ein Treffen mit einer Freundin, ein bißchen Sport? Trau dich mit jemandem darüber zu sprechen, wenn du merkst, dass du immer weiter abdriftest und in einem Loch versinkst. Bitte um Hilfe.
Es ist wichtig hinzuschauen. Wenn du selbst betroffen bist, oder wenn du siehst, dass es eine Freundin, Schwester oder wem auch immer nicht gut geht. Oder deiner Partnerin. Es ist wichtig hinzusehen und nicht zu glauben, dass es normal ist, sich selbst aufzugeben, nicht zu essen und nur fürs Kind da zu sein. Erst wenn das Bewusstsein der Menschen dafür sensibilisiert ist, dass es nicht normal ist, sich dermaßen aufzugeben, und dass es Müttern denen es so geht, manchmal wirklich nicht gut geht, dass sie Hilfe und Unterstützung brauchen, auch wenn sie es nicht sagen. Dass man trotzdem dran bleibt und die Unterstützung gibt. Ungefragt oder abgesprochen. So wie Hilfe angenommen werden kann. Manchmal fehlt den Müttern einfach die Kraft selbst noch etwas zu unternehmen. Dann brauchen sie die Hilfe und Unterstützung von außen. Dann brauchen sie Hilfe, um einen Termin auszumachen, für den Arzt oder Therapeuten oder eine Beratungsstelle. Oder auch nur zum Einkaufen.

Schau hin und sag was!

Es ist nicht normal alles alleine schaffen zu müssen. Es ist nicht normal mit dem Kind den ganzen Tag alleine zu sein und sich nur mit seinem Kind zu befassen und die eigenen Bedürfnisse komplett hinten an zu stellen. Schau nicht drüber hinweg, wenn du merkst, dass eine Mutter nicht gut klar kommt damit, dass sie Hilfe braucht, dass es ihr nicht gut geht. Dass sie total erschöpft ist, sich nicht mehr richtig freuen kann. Wenn du merkst, sie überspielt ihre Traurigkeit, dann sag etwas. Biete Hilfe an und bleib hartnäckig. Aber vor allem, beurteile nicht ihre Lage und verurteile nicht, was sie noch schafft oder nicht schafft. Wenn du nicht erlebt hast, wie es ist in einem Burnout oder einer Depression zu stecken, kannst du es nicht nachvollziehen. Dieses grauenvolle Gefühl eigentlich gar nichts mehr zu fühlen. Keine Kraft mehr zu haben für egal was.

Es ist eine Krankheit. Es ist einen Krankheit, die geheilt werden kann. Es ist kein Schicksal. Kein Zustand, der für immer und ewig anhält – nicht anhalten muss. Manchmal ist es ganz einfach und leicht und es kann sich ganz schnell ganz viel verändern. Sobald man anfängt sich zu bewegen und den ersten Schritt in die richtige Richtung wagt. Aber oft braucht man dafür Hilfe und einen kleinen Schubs. Also mach die Augen auf und trau dich etwas zu sagen. Gerade wenn du eine bedürfnisorientierte Mama bist oder ein bedürfnisorientierter Papa.

Bedürfnisorientierte Elternschaft funktioniert nicht in der Kleinfamilie. Daran gehst du über kurz oder lang kaputt. Bedürfnisorientiert, artgerecht, kannst du nur gut im Clan leben. Nur mit der Unterstützung von anderen Müttern und Vätern, Onkeln, Tanten, Omas, Opas, Freunden, Nachbarn, Erziehern und Lehrern, allen möglichen, die in deinem Clan mit eine Rolle spielen als Bezugspersonen für deine Kinder. Nur in diesem Clan kann bedürfnisorientiertes Leben mit Kindern gut gestaltet werden, so dass alle glücklich und zufrieden sind und genug Kraft haben für ihr Leben – und genug Freude. Bedürfnisorientiert allein reicht nicht. Das ist nicht zu schaffen. Menschen sind soziale „Herdentiere“, wir gehören in eine Sippe und sind nicht für das Leben in einer Kleinfamilie vorgesehen. Als Mama oder Papa alleine kannst du nicht gut bedürfnisorientiert für deine Kinder und für dich selbst sorgen. Dafür brauchst du einen Clan, ohne ihn gehts nicht.

Überleg dir bitte was du in sozialen Netzwerken schreibst oder teilst. Nicht jeder Artikel mit „Herzchen-Faktor“ ist auch in Wirklichkeit so süß, lieb, vorbildlich, anerkennend oder was auch immer. Schau hinter die Kulissen. Manchmal steckt mehr dahinter: eine traurige, erschöpfte, dramatische oder sogar lebensgefährliche Lebenssituation einer Mutter (und ihres Kindes). Schau hin und spüre was zwischen den Zeilen steht.
Wenn du bei dir selbst oder einer nahestehenden Person ähnliche Veränderungen erkennst, wie hier beschrieben, suche dir eine vertrauenswürdige oder/ und fachkundige Person und sprich mit ihr darüber. Zusammen könnt ihr die nächsten Schritte überlegen.

Ich wünsch dir alles Gute und schau gerne mal auf meiner Homepage vorbei.

Deine Jasmin

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