Ich wuchs in einem Frauenhaushalt auf. Mein Vater starb als ich zwei war und mein Bruder war zu der Zeit schon bei meiner Tante. Ansonsten gab es zwei Schwestern, die schon um einiges älter waren, jede Menge Tanten, Cousinen und andere weibliche Verwandte. Es gab ein paar Männer, die aber immer farblos im Hintergrund agierten und an die ich mich kaum erinnere. Meine Schwester bekam ihr erstes Kind als ich vier war. Ich wurde schon lange darauf vorbereitet dass ich jetzt Onkel werde und als der Anruf aus dem Krankenhaus kam dass es sich um ein Mädchen handelt, rief ich entsetzt aus: ‚Oh Gott, jetzt werde ich ja Tante‘.
Auf jeden Fall war es für mich das natürlichste auf der Welt, dass gestillt wurde. Baby schreit, Mutter kommt und packt den Busen aus. Dass es nicht überall so ist habe ich erst viel später erfahren. Meine ganze Kindheit und Jugend verbrachte ich also unter den Fittichen von Frauen. Ich habe zwar gelegentlich Männer vermisst und mich schon danach gesehnt auch mal männlichen Beistand zu haben, doch das kam selten vor und ich hatte dann recht bald einen älteren Freund, der diese Rolle sehr gut übernommen hat. Dass aus diesem Weiberregiment auch Probleme entstanden, wie zum Beispiel wie rasiert man sich oder wie reinige ich meinen Intimbereich, ist unbestritten, gehört aber hier nicht her. Ich hole eigentlich nur weiter aus um zu zeigen, dass mir Emanzipation schon fast in die Wiege gelegt wurde.
Viele Jahre später, nachdem meine Partnerin von einem längeren Englandaufenthalt zurück kam und wir uns endlich einen gemeinsamen Haushalt schufen, hatte ich Probleme beruflich in der neuen Stadt Fuß zu fassen. Nach einigen Diskussionen und finanzieller Planung, kam die Entscheidung dass ich mich als Hausmann betätigen werde. Ich habe immer gerne gekocht und wusste theoretisch wie man einen Haushalt führt. Ich weiß wie man bügelt, die Waschmaschine bedient und wie man Böden und Küchenoberflächen sauber hält. Theoretisch, weil ich diese ganzen Arbeiten eigentlich nur gemacht habe, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Da man bekanntlich mit seinen Aufgaben wächst, wurde ich meiner neuen Aufgabe immer besser gerecht und als nach einem Umzug in eine Gartenwohnung fest stand dass wir auch Eltern werden, bekam meine Tätigkeit als Hausmann eine neue Dimension: Hausmann und Vater. Es stand von Anfang an fest, dass unser Kind voll gestillt werden sollte. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten klappte es auch recht gut und nach circa sechs Monaten wollte unser Sohn auch schon Beikost essen. Meine Partnerin hatte eine Karenzzeit von acht Monaten gewählt und natürlich mussten wir planen, wie wir unseren Sohn ernähren, wenn sie wieder arbeiten geht. Unsere Stillberaterin vor Ort war uns eine sehr große Hilfe und von ihr haben wir erfahren dass es Stillpausen gibt, die man auch für das Abpumpen von Muttermilch verwenden kann. Der Vorgesetzte meiner Partnerin, selbst Vater, zeigte sich auch sehr verständnisvoll. Wir legten einen kleinen Vorrat an Milch an und da unser Sohn schon sehr gut mit Gläsern umgehen konnte, einigten wir uns auf die Variante Beikost und Muttermilch nach Bedarf aus dem Becher oder Glas. Die Variante mit Glas zeigte sich aber schon sehr bald als nicht praktikabel, weil ich nicht eine Flasche und ein Glas mitnehmen wollte und das ständige Umgießen und Reinigen vom Glas war äußerst mühsam. Flaschen mit Sportverschluss waren dann die Lösung. Zuhause befüllt und nach Bedarf verfüttert, so waren Vater und Sohn sehr glücklich.
Da Stillen ja viel mehr ist wie nur reine Aufnahme von Nahrung, sondern auch Nähe, Trost und Geborgenheit ist, hatte ich Bedenken ob ich das als Mann auch geben kann. Ich hatte so oft beobachten können welches Wundermittel da eine Frau hat. Ein unglückliches Kind das Schmerzen hat. Frau benützt den Busen und das Kind ist in kürzester Zeit ruhig und schläft ein. Ich hatte wirkliche Bedenken. Ich muss ehrlich zugeben, dass es dafür keinen Ersatz gibt. Trost- oder Einschlafstillen kann ein Mann nicht. Unser Ersatz dafür ist das Tragen. Kind auf den Rücken, vorne die Gitarre und Kind schläft innerhalb weniger Lieder. Kind ist traurig oder unleidlich, ab ins Tuch oder den Sling und wir gehen eine Runde spazieren. Das ist auch ein Wundermittel, wenn meine Nerven einmal blank liegen, was selten, aber doch, vorkommt. Und so ist unser Sohn mittlerweile 10 Monate alt wird nach wie vor gestillt und isst als Beikost was er will. Wie sagte unsere Hebamme nach der Geburt: Unser Sohn bekommt keine Eltern, er bekommt zwei Mütter und ich muss ihr recht geben, auch Väter können gute Mütter sein.
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