Am liebsten hätte ich im Geburtshaus entbunden.
Die Betreuung während der Schwangerschaft verlief so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Am liebsten hätte ich im Geburtshaus entbunden. Doch wegen der gestiegenen Haftpflicht-Versicherungsprämien wurden in dem Geburtshaus in Flensburg schon länger nur noch Vorbereitungskurse und Angebote für Mutter und Kind angeboten. Die „Fördeklinik“ von der ich viel gutes gehört hatte, hatte etwa ein Jahr zuvor aus demselben Grund die Geburtsstation geschlossen. Wir hatten auch über eine Hausgeburt nachgedacht, kamen aber zu dem Schluss, dass ich ja so ganz ohne Geburtserfahrung zu Hause nicht unbedingt gut aufgehoben wäre. Irgendwie hatte ich das Gefühl es wäre nicht „sicher“ zu Hause zu entbinden. Da ich einige Negative Dinge über die „Diako“ bei uns in Flensburg gehört hatte („Schlange Stehen“ vorm Kreissaal, überforderte Hebammen, schlechte Stillberatung etc.) habe ich meine Hebamme nach Alternativen gefragt. Sie schlug zwei Kliniken vor, die etwa 40 km von uns entfernt sind. Da meine Schwiegereltern und meine Mutter in der Nähe von Niebüll wohnen, entschieden mein Mann und ich uns dafür, dort zu entbinden.
Dort sind die Kreissäle zwar nicht so modern, aber da dort relativ wenige Geburten stattfinden ist man immer gut betreut.
Wir haben dort den Kreissaal besichtig, die Hebamme kennengelernt und fühlten uns dort gut aufgehoben. Außerdem besuchte ich einen Geburtsvorbereitungskurs bei meiner Hebamme. Dort wurde ich über alles informiert. Es gab auch einen Abend, an dem eine Stillberaterin mich über das Stillen informierte. Da für mich von vornherein klar war, dass ich stillen werde weil es das natürlichste auf der Welt ist und alles so einfach und selbstverständlich klang, ging ich davon aus dass das ganz einfach nach der Geburt klappen wird. Ich habe nie darüber nachgedacht, dass das Stillen nicht klappen könnte. Wenn mir Frauen erzählten „es hat eben nicht geklappt“ war für mich klar, dass sie eine Ausrede suchten um nicht Stillen zu müssen. An dem Termin bei dem über Kaiserschnitt aufgeklärt wurde habe ich allerdings nicht genau zugehört, weil ich davon ausging, dass alle normal verlaufen wird. Ich bin ja jung und gesund, was sollte schief gehen? Und zum Thema Schreikinder dachte ich: „wer ein Schreikind hat macht selber was falsch, es gibt eigentlich keine Schreikinder“
Die Geburt verlief dann nicht normal.
Nach vier bis fünf Stunden wehen wurde ein Muttermund-Krampf diagnostiziert. Die Herztöne meines Sohnes wurden mit jeder Presswehe schwächer. So ging dann alles ganz schnell. Die Hebamme rief den Arzt, der OP wurde vorbereitet. Ich musste etwas unterschreiben was ich nicht mal in der Lage war zu lesen, da ich sehr starke Presswehen hatte. Ich bekam zwar Wehenhemmende Mittel gespritzt, doch das schien nicht zu wirken. Die schätzungsweise 10 Schritte zum OP konnte ich nur gebückt gehen, musste drei Mal stehen bleiben und warten, bis die Wehe sich gelegt hatte. Im OP wollte mir der Anästhesist eine Spinalanesthesie legen, damit ich bei der Geburt meines Sohnes wach sein kann und mein Mann mich in den OP begleiten darf. Doch auf Grund der starken Wehen war das Kaum möglich. Nach weiterer Gabe von Wehenhemmern gelang dieses dann doch. Der Arzt desinfizierte meinen Unterleib und fragte mich mehrmals, ob ich dort noch Schmerzen spüre. Da dies noch der Fall war bekam ich die Maske mit Narkose-Gas auf die Nase und das nächste was ich weiß, ist, wie etwa 1 ½ Stunden Später eine Hebamme versuchte mir das Kind anzulegen.
Für eine bessere Mutter-Kind-Bindung
wurde mir mein Sohn zwar nackt auf meine nackte Brust gelegt aber da ich noch gar nicht richtig wach war und Schmerzen hatte, habe ich das kaum in Erinnerung. Was ich in dem Moment gesagt haben soll weis ich nur durch die Erzählungen meines Mannes. Das Stillen klappte in der Klinik nicht. Nach zwei Tagen hat mein Sohn dann von den Krankenschwestern die Flasche bekommen. Jede Hebamme und jede Schwester gab mir andere Tipps wie ich meinen Sohn anlegen soll. Ich versuchte es immer und immer wieder, doch mit dem Ergebnis, dass ich sehr schnell blutige Brustwarzen hatte und trotzdem keine Milch zu haben schien. Dann wurden mir Stillhütchen aus Silikon angeboten, vielleicht konnte mein Sohn einfach mit meiner Brustform nicht umgehen. Auf Nachfrage ob ich Oxytocin-Nasenspray bekommen könnte, damit ich meinen Sohn Stillen kann bekam ich zur Antwort, dass das unnatürlich sei und dass man das heute nicht mehr so macht. Mein Argument „Aber die Flasche geben ist natürlich?“ wurde ignoriert.
Als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, konnte meine Nachsorgehebamme nicht zur Kontrolle zu uns kommen, da sie eine Hausgeburt betreuen sollte. Der folgende Tag war ein Sonntag, an dem sie nicht arbeitet. So kam sie dann erst zwei Tage später. Mein Mann und ich waren sehr verzweifelt. Unser Sohn schrie nur. Egal ob wir ihn auf dem Arm hatten, ob ich ihm die Brust anbot. Er schrie. Er schlief nie länger als 45 Minuten am Stück. Auch mit der Hilfe meiner Hebamme wurde das mit dem Stillen nicht besser. Sie hatte viele Frauen die sie betreute und wenig Zeit. Sie sagte nach dem Wiegen meines Sohnes häufig, dass er nicht zunimmt, dass ich nach dem Stillen wieder eine Flasche geben soll. Er würde vermutlich schreien, weil er Hunger hat. Vielleicht hat er auch Bauchweh, also gab sie uns noch Zäpfchen, Bigaia-Tropfen, Homöopatische Kügelchen und Lefax. Alles rein in das arme Kind. Er schrie weiter.
So begann dann eine Kettenreaktion. Ich war kurz davor das Stillen ganz aufzugeben. Doch ich wollte unbedingt stillen. Meine Hebamme verwies mich an die Stillberaterin die auch im Vorbereitungskurs über das Stillen berichtet hatte. Die sagte „Kind immer anlegen, wenn es schreit, dann regelt sich das mit dem Stillen und am besten auch ohne Still-Hütchen“ Doch schon nach wenigen Tagen hatte ich wieder wunde Brustwarzen, an alle 20 Minuten stillen war nicht zu denken. Meine Hebamme sagte wieder, der kleine sei zu leicht, ich soll Flasche hinterher geben. Aus meiner Familie kamen wiederum andere Tipps. Alle zwei bis vier Stunden zu stillen würde völlig reichen. Unser Sohn schrie weiterhin. Eines Abends so heftig, dass wir sogar ins Krankenhaus sind (Da wurde dann noch nebenbei festgestellt, dass er beidseitig angeborene Leistenbrüche hat und bald operiert werden muss). Dort blieb ich mit ihm zwei Nächte und auch dort wurde wieder gesagt, er schreit vor Hunger und bekam die Flasche. Häufig schrie er dann noch schlimmer und erbrach vor Schreien das Meiste wieder.
Ich wurde mit einer Milchpumpe entlassen,
damit ich mit der Pumpe den Milchfluss anregen konnte. Meine Hebamme sagte jedoch, dass das Pumpen mich nur unter Druck setzt und ich das lieber lassen soll. Schon wieder eine andere Meinung. Mein Sohn schrie trotzdem weiter. An ihrem letzten Kontrollbesuch gab mir meine Hebamme einen Flyer von einer Schrei-Ambulanz mit den Worten, sie wüsste keinen Rat mehr. An dem Tag nachmittgas drohte die Situation zu eskalieren. Mein Mann war Einkaufen, unser Sohn Schrie. Ich hatte ihn gestillt, gewickelt und alles schien in Ordnung zu sein. Ich hielt meinen Sohn in den Händen und er Schrie mich an. Ich schrie ihn an und setzte an ihn zu Schütteln! Ich war in dem Moment nicht ich selber. Ich merkte sofort was passierte, legte ihn auf unser Bett und verließ den Raum. Ich weinte weil ich merkte was ich grade beinahe getan hätte. Ich rief in der Schreiambulanz an und vereinbarte einen Termin, allerdings sollte er zuerst noch an den Leisten operiert werden. Der Kinderarzt war der Meinung, dass das Schreien darin seinen Ursprung hätte. Nach der OP wurde das Schreien schlimmer. Im Krankenhaus kam nochmals eine Stillberaterin zu mir und ich bekam noch mal andere Tipps zum Stillen. Endlich hatten wir dann den Termin bei der Schreiambulanz. Uns wurde erklärt, dass sowas häufig nach traumatischen Geburten geschieht. Wir bekamen Tipps für den Umgang mit ihm wenn er schreit, es wurde eine Cranio-sacral-Therapie gemacht. Langsam wurde unser Sohn ruhiger. Er war zwar weiterhin sehr anhänglich aber das waren wir ja inzwischen gewohnt. Aber das Stillen, das Klappte direkt nach dem Ersten Termin.
Laut der Heilpraktikerin die die Schreiambulanz leitet, lag das an den „Blockaden“ in seinem Rücken. Die Kosten der Stunden bei der Schreiambulanz wurden von der Krankenkasse nicht übernommen. Mein Mann und ich sind Studenten und die acht Termine á 50-60 € merken wir bis heute. Ich bin weiterhin sehr verängstigt vor weiteren Kindern. Die Geburt verfolgt mich bis heute. Ich schlafe schlecht, träume von einem weiteren Kind bei dem die Geburt wieder schief geht und wache dann Schweißgebadet auf. Ich überlege mein Studium abzubrechen und Hebamme zu werden. Wenn es den Beruf dann überhaupt noch gibt.
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