Ich teile meine Freude mit euch Stillgeschichten

„Ich habe mich so angreifbar gefühlt wie noch nie in meinem Leben zuvor.“ – Stillgeschichte

Schonmal mit entblößten Brüsten in der Bahn gesessen?

Man gewöhnt sich ja an alles.
Angeblich.
Dass ich mich mal daran gewöhnen würde, in der Bahn, im Schuhladen und im Restaurant meine Brüste „auszupacken“, als wäre es das Normalste auf der Welt, das hätte ich zum Anfang meiner Stillzeit nicht geglaubt.

Never ever.

Dass unterwegs stillen aber auch etwas ganz anderes ist, als sich halbnackt in eine Bahn zu setzen, musste mir erstmal klar werden.

Für mich schien es irgendwie das Gleiche zu sein. Und wenn man in der Bahn seine Brüste nicht nackt zeigen darf, dann darf man doch auch in der Bahn logischerweise nicht stillen. Dann sind doch die, die mit verurteilenden Blicken strafen und die, die möglicherweise ganz abwertend und verachtend reagieren und ihren Unmut auch direkt aussprechen, doch im Recht.

Was für ein Irrtum und Denkfehler. Hervorgerufen durch das eigene, wahrscheinlich ganz natürliche Schamgefühl UND von Medienberichten. „Stillende Mutter aus Bus geworfen„. „Stillende Mutter aus Café, Einkaufszentrum etc. geworfen„. Weil andere sich beschwert haben.

Ohgott.

Was für eine Horrorvorstellung für mich als junge Anfängermama!

Ich habe mich nie von irgendetwas verunsichern lassen und kann von mir sagen, dass ich sehr klar bei MIR und meiner gesunden Mama-Intuition bleibe. Was das angeht, bin ich sogar ein bisschen stolz auf mich. Darf ich auch mal sein.
Aber die Sache mit dem Stillen unterwegs, die hat mich echt gedanklich fertig gemacht, in den ersten Monaten.

Mir war von Beginn an klar, dass Stillen mir wichtig ist.

Für mich und mein Kind. Also habe ich ein „Stillfreundliches Krankenhaus“ ausgewählt und in den Fragebogen bei der Anmeldung, bei der Frage „wie lange planen Sie zu stillen“? 1,5-2 Jahre geschrieben. Hui, da hat der werdende Papa aber gestaunt. „Echt?! Reichen nicht sechs Monate?“ Nee. Ich glaube nicht.
(Übrigens ging unsere Stillzeit nach ca 19 Monaten zu Ende und da hat der Papa dann gefragt, ob ich mir auch gaaaanz sicher bin, dass es jetzt zu Ende sein soll. Ja. Da war ich mir sicher und das Mausekind sich dann auch. Wir waren uns einig.)
Stillen war für mich wichtig und selbstverständlich.

Und doch waren da die ersten Wochen, in denen ich gar nicht mit der Kleinen vor die Tür wollte. Ich hatte Schweißausbrüche, wenn ich nur daran dachte, kurz mit Baby zum Supermarkt zu laufen. Was, wenn sie Hunger bekommt? Dann muss ich sie auf jeden Fall sofort stillen. Warten lassen ist keine Option. Aber unterwegs? Kann ich mir nicht vorstellen. Wo denn bitte? Bei Rewe an der Kasse? Im Tragetuch? Kann ich nicht. Geht nicht.

Wenn jemand was sagt.

Ich habe mich so angreifbar gefühlt wie noch nie in meinem Leben zuvor.

Irgendwann in den ersten Wochen hatte ich dann ein einschneidendes Erlebnis. Ich saß mit dem Baby in der U-Bahn, wir mussten 30 Minuten fahren. Das Baby wurde unruhig, fing an zu weinen und wollte an die Brust. Und ich wollte nicht. Und wollte aber doch. Das war ein schlimmer Kampf in meinem Kopf. Natürlich habe ich sie dann angelegt, versucht, mich von den vielen Leuten wegzudrehen. Nur das Baby angeschaut und gehofft, dass keiner etwas sagt.
Das war so ein schlimmes Gefühl: als Mutter wollte ich etwas ganz selbstverständliches tun. Das Baby so versorgen, wie das Baby es braucht. Und gleichzeitig habe ich mich geschämt, hatte Angst vor Blicken und Kommentaren. WEIL ICH MEIN BABY VERSORGE??

Mir liefen vor lauter Verzweiflung die Tränen.

Niemand hat geguckt.
Niemand hat etwas gesagt.

Hätte ich mich umgesehen, hätte ich vielleicht höchstens ein aufmunterndes, verständnisvolles Lächeln gesehen. Wie so oft in den folgenden Monaten. Von Frauen, die wissen, wie das ist. Von Papas, die das toll und stark und unterstützenswert finden. Davon ist Hamburg, meine schönste Stadt der Welt, nämlich voll.

In 19 Monaten Stillzeit habe ich mich zu einer selbstbewusst überall stillenden Mama entwickelt. Überall.
Und: NIE hat jemand etwas negatives gesagt. Kein Kopfschütteln, kein verurteilender, strafender Blick.
Nichts.

Als Berufsfotografin habe ich mich dann sehr schnell auf das Fotografieren stillender Mamas spezialisiert. Mir wurde klar, wie diese Stillfotos so viel erzählen. Von unserer Liebe, die wir mit Worten gar nicht ausdrücken können. Im Zuge meiner Arbeit habe ich sehr viele tolle Stillmamas und ihre Geschichten kennengelernt, was für mich als Mutter auch eine wahnsinnige Bereicherung ist.

Mir wurde dann auch klar, dass es vielen Müttern zu Beginn der Stillzeit so geht wie es mir ging. Dass viele Frauen unbegründete Ängste haben. Dass viele junge Mütter Mutmacher und Solidarität brauchen. Um sich überhaupt erstmal mit dem Stillkind entspannt vor die Tür zu trauen. Deswegen habe ich das Projekt „Hamburg stillt!“ ins Leben gerufen. Um Mut zu machen und Selbstvertrauen zu wecken, wenn es um Stillen in der Öffentlichkeit geht.

Und so war meine Stillzeit sogar wegweisend für meinen weiteren Berufsweg als Fotografin und es entstand ein tolles Projekt.

Meinem Kind bin ich dafür unendlich dankbar.

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