Gastartikel

Was ist Kindeswohlgefährdung und wann sollte ich mich ans Jugendamt wenden?

Dieser Beitrag wurde von einer Jugendamtsmitarbeiterin geschrieben, die anonym bleiben möchte. Diese Informationen sind also sowohl verläßlich, als auch aktuell und decken sich mit dem, was auch ich in meinem Studium der Sozialen Arbeit gelernt habe.

“Wenn mich jemand danach fragt, was ich beruflich mache, dann ernte ich stets den gleichen Blick mit den gleichen Kommentaren. “Das ist aber auch kein leichter Job” und “Also ich kenne ja auch so eine Familie…” Ich bin Sozialarbeiterin beim Jugendamt: seit mittlerweile 5 Jahren, was in diesem Job schon alteingesessen bedeutet, denn die Dinge die wir sehen und mit denen wir konfrontiert werden lassen es einem schon mal kalt den Rücken runter laufen. Und immer wieder werde ich gefragt “Wenn ich jetzt was melde, passiert dann überhaupt was? Das Jugendamt schaut doch immer nur zu…”

Bevor ich das Meldeprinzip und das damit verbundene Procedere erkläre, möchte ich gerne einen kleinen Exkurs zum Thema Kindeswohlgefährdung starten. Kindeswohlgefährdung in der Kinder- und Jugendhilfe beschreibt einen Zustand, der von den sorgeberechtigten Personen des Kindes ausgeht. Natürlich gibt es auch andere Menschen die das Kind gefährden können, aber dann ist es die Aufgabe der Eltern das Kind davor zu schützen. Einfaches Beispiel: Mutter schlägt Kind= Kindeswohlgefährdung, Oma schlägt Kind und Mutter sorgt dafür, dass zB Oma das Kind nicht mehr sehen darf = keine Kindeswohlgefährdung, Oma schlägt Kind und Mutter akzeptiert das = Kindeswohlgefährdung Wie man an diesem kleinen simplen Beispiel sieht, ist der Begriff der Gefährdung sehr schwer zu erklären. In der Theorie ist es die Vernachlässigung, Misshandlung oder der Missbrauch von minderjährigen Kindern und Jugendlichen durch ihre Erziehungsberechtigten. Das Jugendamt hat den Schutz der Kinder als hoheitliches Aufgabengebiet, das bedeutet, dass ein Kind,welches von einer Gefährdung betroffen ist, durch entsprechende Maßnahmen geschützt werden muss. Wie diese Maßnahmen aussehen ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Gefährdung beschreibt den Zustand wenn ein Mindeststandard nicht mehr erreicht wird. Es wird jeder Fall einzeln betrachtet, da in einer Familie der Zustand für das Kind gefährdend ist und in einer anderen nicht.

Wieder ein simples Beispiel: Das Kind (5 Jahre) trägt im Winter keine Jacke. Dieser Zustand allein ist noch keine Gefährdung des Kindes. Denn es gibt Kinder, die trotz fehlender Jacke nie krank sind und auch sonst putzmunter. Sollte das Kind jedoch permanent und ernsthaft krank sein dann könnte die fehlende Jacke der Grund sein. Dann würde das Jugendamt der Mutter beauftragen, dass Kind wettergerecht zu kleiden und würde dies kontrollieren. Das gleiche gilt für Ernährung! Es ist noch keine Gefährdung wenn das Kind nur Würstchen mit Pommes bekommt. Mindeststandard wäre hier, dass das Kind ausreichend mit Nahrung versorgt wird. Sollte das Kind jedoch massiv übergewichtig oder chronisch krank sein, sodass es eine spezielle Ernährung benötigt, sieht die Sache wieder anders aus! Wie bereits erwähnt ist die Einschätzung einer möglichen Gefährdung äußerst schwierig und bedarf immer einer Einzelfallprüfung.

So komme ich zum Thema “Meldung”. Ich beschreibe hier den Ablauf wie es in meiner Arbeitsstelle vorgeschrieben ist: Jeder hat die Möglichkeit ihm bekannte oder vermutete Missstände beim Jugendamt bekannt zu geben. Institutionen,die mit Kindern arbeiten sind dazu verpflichtet! (Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, etc.). Jede Meldung wird aufgenommen und von der zuständigen Sozialarbeiterin bearbeitet. Handelt es sich um Informationen die auf eine Kindeswohlgefährdung hinweisen, wird die Familie von zwei Sozialarbeiterinnen kontaktiert. Das klassische Procedere beinhaltet eine Hausbesuch, Gespräche mit dem Kind allein, Gespräch mit den Eltern bzw Familienmitgliedern, bei Bedarf eine psychologische Begutachtung des Kindes und bei strafrechtlich relevanten Themen wie zB Missbrauch oder Körperverletzung muss das Jugendamt auch darüber entscheiden, ob dieser Tatbestand als Strafanzeige an die Polizei weitergeleitet wird.

Alle Handlungen werden dokumentiert und Eltern haben das Recht auf Akteneinsicht. Stellt sich im Überprüfungszeitraum heraus, dass die Sorgeberechtigten das Kind gefährden, dann bekommen die Eltern Auflagen erteilt, die sie erfüllen müssen damit die Gefährdung aufhört. Diese Auflagen sind zeitlich befristet und werden kontrolliert. Werden Auflagen nicht eingehalten oder ignoriert, gibt es verschiedene Sanktionen. Das LETZTE und härteste Mittel ist die Kindesabnahme, welche nur bei akuter Gefährdung (zB Kind zeigt Verletzungen durch Misshandlung) oder auf Anordnung des Gerichts gesetzt werden darf. Denn hier handelt es sich um den Eingriff in das Grundrecht der Eltern. Also an alle die sich unsicher sind ob sie etwas dem Jugendamt mitteilen sollen, sage ich: lieber einmal zuviel als einmal zuwenig den Mund aufgemacht, denn es geht hier um die Personen die sich selbst nicht helfen können!”

Website Kommentare

You Might Also Like

No Comments

Leave a Reply

*

Ja, auch diese Webseite verwendet Cookies. Hier erfahrt ihr alles zum Datenschutz