Babyschlaf

Co-schlafen und Familienbett

Dieser Artikel war Teil einer Hausarbeit für die Uni. Da er aber thematisch schön passt, stelle ich ihn mal inklusive des Literaturverzeichnisses hier zur Verfügung.

In seinem Buch „SAFE – Sichere Ausbildung für Eltern“ schreibt Karl-Heinz Brisch:

„Nur in westlich orientieren Kulturen sowie in einigen Ländern, die von der westlichen Zivilisation beeinflusst werden, hat sich eine Schlafgewohnheit durchgesetzt, bei der von Säuglingen erwartet wird, dass sie alleine schlafen, möglichst in einem eigenen Bett, in einem eigenen Zimmer. In manchen Familien schlafen alle Kinder jeweils in einem eigenen Zimmer und in einem eigenen Bett. Für Menschen anderer Kulturen, etwa aus Südamerika oder Asien ist diese Form der familiären Schlafpraxis nicht nachvollziehbar. Ein Kind in einem eigenen Zimmer, ganz alleine, in seinem eigenen Bett schlafen zu lassen würde in Indonesien eher als eine Form der Kindesvernachlässigung angesehen.“ (Brisch, 2010, 98/99).

Die Evolution hat vorgesehen, dass Babies dicht bei ihren Müttern bleiben. Die Gefahren für ein so hilfloses Wesen wären im Verlauf der Menschheitsgeschichte einfach zu groß gewesen um das Überleben der Spezies zu sichern. Dies bedeutet, dass ein Baby auch Nachts den Schutz der Mutter um sich wissen möchte. (Brisch, 2010, 98)

Wie aus dem obigen Zitat zu erkennen ist, hat sich aber in unserer westlichen Kultur das familiäre Schlafverhalten völlig anders entwickelt, als es von der Natur vorgesehen wurde. Vielen Eltern wird trotzdem suggeriert, ihr Kind müsse schon nach wenigen Monaten oder gar Wochen mehrere Stunden ruhig schlafen und das auch noch alleine. Und viele Eltern sind verzweifelt, wenn ihr Kind auch nach längerer Zeit immer noch nicht ruhig in seinem Kinderbett schläft, mehrmals pro Nacht aufwacht, kaum zu beruhigen und dann auch nicht wieder in den Schlaf zu begleiten ist. Der eigene Schlaf leidet darunter so sehr, dass sich manche Mutter als selbstmordgefährdet aufgrund des Schlafdefizits bezeichnet (vgl. Gräf, 2012)

Die größten Argumente gegen das gemeinsame Schlafen mit Baby sind der eigene Schlaf der Eltern , die große Angst um den plötzlichen Kindstod und die Sorge, dass Kind „nicht wieder aus dem Bett zu bekommen“. Unbegründete Sorgen, wenn man bedenkt, dass Mütter, die neben ihren Kindern schlafen ihre Schlafqualität häufig wesentlich besser einschätzen als solche, die jede Nacht wieder aufstehen müssen um sich um ihr Baby im Nebenzimmer zu kümmern (vgl. McKenna et al, 2007, 145). Der Eltern-Ratgeber „Die neue Elternschule“ schreibt hierzu: “Nachts aufzustehen, um nach einem schreienden Baby im Nachbarzimmer zu sehen kann furchtbar sein. Liegt ihr Kind neben Ihnen, können Sie es sofort trösten, wenn es unruhig wird, ohne dass Sie hellwach werden. Studien zufolge schläft man schneller wieder ein, wenn man weniger als 15 Sekunden wach ist.“ (Sunderland, 2006, 72)

Der plötzliche Kindstod ist seit vielen Jahren Gegenstand von Studien aber schon Anfang der 1980er Jahre wurde in einer in Hongkong durchgeführten Studie herausgefunden, dass das Co-schlafen – das in Hongkong das Standart-Schlafarrangement darstellt – nicht die Ursache für den plötzlichen Kindstod sein kann (vgl. Davies, 1985)

Bleibt noch die Sorge darum, dass das Kind aus dem elterlichen Bett nicht wieder ausziehen möchte – oder zumindest nicht dann, wenn die Eltern dies gerne hätten. Diese Entscheidung muss natürlich jeder Elternteil für sich selbst treffen, vielleicht auch im Hinblick auf den Charakter des Kindes. Es gibt Babies, die auch schon kurz nach der Geburt gut alleine im eigenen Bett, im eigenen Zimmer schlafen und die zu Kindern heranwachsen, die weiterhin gut in ihrem eigenen Zimmer schlafen. Aber ängstliche Kinder, die die Nähe einer vertrauten Person um sich herum brauchen um ruhig schlafen zu können werden, wie vermutlich schon seit Beginn der Menschheit, auch nachts immer wieder in das Bett ihrer Bezugsperson zurückkehren oder einen Elternteil zu sich holen und darunter leidet dann der Schlaf aller beteiligten Personen. In diesem Fall wäre es unter Umständen tatsächlich einfacher zu warten, bis sich das Kind von selbst in ein eigenes Bett in einem eigenen Zimmer wechseln möchte.

 

Literatur:

Ich will bei euch schlafen

Besucherritze (sehr zu empfehlen!)

Kinder verstehen

Die neue Elternschule

Bowlby, John 2008: Bindung als sichere Basis: Grundlagen und Anwendung der Bindungstheorie. München: Ernst Reinhardt Verlag

Brisch, Karl-Heinz 2012: SAFE – Sichere Ausbildung für Eltern. Stuttgart: Klett-Cotta

Keller, Heidi 2011: Kinderalltag. Kulturen der Kindheit und ihre Bedeutung für Bindung, Bildung und Erziehung. Berlin [u.a.]: Springer Verlag

McKenna, James et al 2007: Mother–Infant Cosleeping, Breastfeeding and Sudden Infant Death Syndrome: What Biological Anthropology Has Discovered About Normal Infant Sleep and

Pediatric Sleep Medicine. In: YEARBOOK OF PHYSICAL ANTHROPOLOGY 50 New York City: John Wileyand Sons Inc. S. 145

Sears, William & Martha 1992/2003: The Baby Book: Everything You Need to Know About Your Baby from Birth to Age Two New York City: Little, Brown and Company

Sunderland, Margot 2006: Die neue Elternschule. Kinder richtig verstehen und liebevoll erziehen. München: Dorling Kindersley Verlag GmbH

Davies, D.P. 1985: COT DEATH IN HONG KONG: A RARE PROBLEM? Abstract. In: The Lancet, Volume 326, Issue 8468,1346 – 1349, Verfügbar unter: http://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736%2885%2992637-6/abstract Stand: 01.02.2013

Gräf, Carmen 2012: Muttersein ist nicht nur kuschelig. Zeit Online, Verfügbar unter: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-03/helen-walsh-mutterschaft-roman Stand: 01.02.2013

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6 Comments

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    Familienbettgalerie - mit Anleitungen! – Der Apfelgarten
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    “Wie lange sollte man Pre-Nahrung geben?” - bedürfnis-orientiert.de
    18. Februar 2017 at 17:49

    […] mit einem Tragetuch oder einer Tragehilfe zu tragen um ihm den nötigen Körperkontakt zu geben, lass es bei dir schlafen, geht raus, um Abwechslung zu haben, aber wechsele nicht die Milchnahrung. Falls dein Babys sehr […]

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    “Wie sichere ich mein Familienbett ab, so dass mein Kind nicht herausfällt?” - bedürfnis-orientiert.de
    28. Februar 2017 at 15:36

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    16. März 2017 at 12:55

    […] Bedding close to baby = dicht beim Kind schlafen […]

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