stillbuch, stillgeschichte, stillgeschichten, stillen, muttermilch, breastfeeding, langzeitstillen, abstillen, Beikosteinführung, Stillen und arbeiten,
Mein Stillbuch „Bedürfnisorientiertes Stillen“ kommt am 8.06.17 heraus und ist, ab sofort, hier vorbestellbar!
Nun sitze ich hier nach über 26 Monate stillen und möchte darüber berichten wie das bei uns gewesen ist.
Wir hatten richtige Startschwierigkeiten. Am Tag als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, habe ich eigentlich schon den Gedanken gefasst: „Gut, dann kann ich eben nicht stillen. Flaschenkinder werden auch groß.“ Ich war ziemlich traurig darüber, weil ich mir eigentlich vorgenommen habe mein Kind zu stillen.
Ich hatte eine sekundäre Sectio. Der Milcheinschuss ließ auf sich warten.
Leider hatte ich mich vor der Geburt nicht besonders mit dem Thema „Stillen“ beschäftigt. Ich dachte, das geht schon- kann ja irgendwie jeder. Was kann daran schwer sein?
Nach zwei Tagen im Krankenhaus wurde ich nervös. Die Milch kam nicht richtig, immer nur ein paar Tropfen. Ich dachte, ich kann mein Kid nicht ernähren.
Ich legte mein Baby regelmäßig an, aber er schlief beim Trinken immer ein. Also versuchte ich ihn zu wecken und zum Trinken zu animieren, dazu rieten mir die Schwestern. Mein kleiner Sohn nahm immer weiter ab, so dass ich vor und nach jedem Stillen Wiegeproben machen musste. Dadurch geriet ich noch mehr unter Druck. Um die Milchbildung anzuregen, habe ich zusätzlich nach dem Stillen auch noch abgepumpt, auch nachts. Natürlich kamen beim abpumpen auch nur ein paar Tropfen raus. Ein todsicheres Indiz für mich, dass mein Baby unmöglich genug Nahrung von mir bekommt. Mindestens alle 2 ½ Stunden stillen, danach noch abpumpen, das war Stress pur.
Am fünften Tag im Krankenhaus, die Ärzte waren mit dem Gewicht meines Sohnes immer noch nicht zufrieden, riet man mir, wenn ich denn möchte, mein Kind mit Pre-Milch aus der Flasche zuzufüttern. Natürlich wollte ich. Schließlich wollte ich nicht für die Unterernährung meines Sohnes verantwortlich sein. Am gleichen Tag sollte ich entlassen werden. Ich hatte Angst davor, denn ich hatte das Gefühl- es klappt gar nichts!
Glücklicherweise hatte ich eine ganz tolle Nachsorge-Hebamme.
Ich habe mit ihr telefoniert und ihr meine Ängste und Probleme geschildert. Sie hat mir geraten so schnell wie möglich nach Hause zu gehen. Noch am gleichen Tag kam sie zum Hausbesuch.
Sie hat sich sehr viel Zeit und mir viele Ängste genommen. Sie hat meine Anlegetechnik korrigiert und mir einige Tipps für ein entspanntes Stillen gegeben.
Sie hat mir die Gewichtspanik genommen (ich wollte ja schon eine eigene Waage kaufen um die Wiegeproben aus dem KH zu Hause weiterzuführen). Sie hat mir erklärt, dass es nicht schlimm ist wenn das Baby beim Stillen einschläft, sie hat mir Stillen bei Bedarf näher gebracht und mich davon abgehalten ständig auf die Uhr zu schauen. Trotzdem hat sich mich nicht verurteilt oder versucht davon abzuhalten anfangs noch Pre-Milch zu zufüttern. Die Angst, dass mein Baby unterernährt ist saß so tief, da hätte auch ihr reden nichts geholfen.
Alles in allem hat Sie mir wieder Selbstvertrauen gegeben, dass wir es schaffen werden, allein mit unserem Baby.
In der ersten Woche nach der Entlassung aus dem KH kam sie täglich zu uns, danach wurden die Besuchsabstände größer. Das Stillen klappte immer besser und wenn ich mal Fragen hatte war sie jederzeit erreichbar.
Diese Frau war unser Still-Engel. Wäre sie nicht gewesen, ich hätte es nicht geschafft.
Wie schon eingangs erwähnt, bin ich eine Langzeitstillmutti mit einer Stillzeit von über 26 Monaten. Hätte mir das jemand in der Schwangerschaft oder in den ersten sechs Monaten nach der Geburt erzählt, dem hätte ich einen Vogel gezeigt.
Ich wusste gar nicht das sowas geht – Langzeitstillen, das war ein Fremdwort für mich.
In früheren meiner Vorstellung werden Babys gestillt, aber doch keine Kleinkinder. Ich kannte in meinem persönlichen Umfeld niemanden, der sein Kind länger als 4 Monate gestillt hat. Alles andere war somit für mich also nicht „normal“. Einzig meine Hebamme, dessen Kind ein Jahr alt war, als die Nachsorge bei uns anfing, stillte ihr Kind noch. Das fand ich zu dem Zeitpunkt irgendwie ök, konnte mir nicht vorstellen, dass das geht, weil doch niemand so lange Milch produziert, aber vor allem hätte ich niemals gedacht, dass ich sie noch übertreffen würde.
Ich lebte mit dem Gedanken, dass die Milch nur für einen gewissen Zeitraum ausreichend vorhanden ist. Ich hörte immer wieder von allen Seiten:“Ich konnte nur sechs Wochen stillen, dann hatte ich keine Milch mehr!“ „Ich konnte gar nicht stillen, ich hatte nicht genug Milch.“ „Ich musste zufüttern, mein Kind wurde von meiner Milch nicht satt.“ „Ab dem vierten Monat brauchen Babys spätestens Brei, dann hat die Milch nicht mehr genug Nährstoffe.“
Wegen solchen Aussagen, war für mich eine kurze Sillzeit absolut normal. Diese Probleme waren offensichtlich mainstream und niemand inklusive mir, wunderte sich darüber.
Auch bei uns war der Sechs- Wochen- Schub und das abendliche Clusterfeeding sehr ausgeprägt. Hätte mir meine Hebamme zu diesem Zeitpunkt nicht die Angst genommen, nicht genug Milch zu haben und mich über das Verhalten von Kindern in Schüben aufgeklärt, hätte ich wahrscheinlich noch mehr als bis dato eine Flasche am Tag zugefüttert und das Abstillen wäre eingeläutet gewesen.
Also stillten wir weiter, überwanden den Schub und es wurde zusehends entspannter. Nach und nach wurden auch die Fläschchen mit Pre-Milch weniger, so dass ich es nach ca. drei Monaten endlich geschafft habe meinen Sohn voll zu stillen.
Irgendwann waren wir dann im vierten Monat, das Stillen war so entspannt, ich wollte gar nicht daran denken abzustillen. In meiner Krabbelgruppe fingen alle nach und nach mit Beikost an. Von jedem hörte ich, dass die Babys mehr oder weniger nennenswerte Mengen Brei aßen und nach und nach die Milchmahlzeiten ersetzt wurden.
Irgendwas in mir drin sagte, dass bei uns der Zeitpunkt für Beikost noch nicht erreicht war, aber ich spürte den immer größer werdenden Druck von außen damit starten zu müssen. Also probierte ich es. Es kam wie es kommen musste, mein Kind verweigerte den Brei und ich wurde nervös.
Ungefähr zu dem Zeitpunkt schloss ich mich einer Stillgruppe an, die von einer erfahrenen Stillberaterin und Kinderkrankenschwester geleitet wurde. Dort ging es neben dem Stillen auch um Themen wie Beikost, Schlafen, Tragen, bedürfnisorientierter Umgang mit Kindern und vieles mehr. Nach einer ausführlichen Beikostberatung, hörte ich das erste Mal etwas von BLW und sah Mütter in der Gruppe, die ein Kleinkind stillen. Die Stillberaterin nahm mir die Angst, dass mein Kind nicht mehr genug Nährstoffe bekommt und versicherte mir, dass Muttermilch für das erste Jahr vollkommend ausreichend ist, wenn das Kind keine andere Nahrung zu sich nehmen will.
Also stillte ich einfach weiter. Irgendwann mit 7 ½ Monaten fing mein Sohn an sich für unser Essen zu interessieren und kaute an kleinen Gemüsesticks. Natürlich war es anfangs eher ein Gemansche und er nahm keine nennenswerte Mengen zu sich, aber er hatte ja die Milch als Hauptnahrungsquelle.
Ein anderer Abstillgrund, der immer wieder genannt wurde und der mir früher sehr plausibel erschien war- Abstillen wenn die Zähne kommen, denn sonst beißt das Kind ja in die Brustwarze. „Sobald Zähne kommen muss Schluss sein, dann geht das nicht mehr! Ich lass mich doch nicht beißen!“ Dieser Satz meiner Mutter hallt mir heute noch in den Ohren und damals habe ich es geglaubt.
Ich kannte ja nun vom Stilltreff auch Mütter, die ihre älteren Babys
(mit Zähnen) stillten. Ich fragte wie es sei und ob sie gebissen würden. Sie verneinten dies und ich lies deshalb alles ganz entspannt auf mich zukommen. Ich stillte also weiter und siehe da, es ist nichts dran am Beiß-Mythos.
Nachdem gefühlt all meine Vorstellungen über Babys und Kinder sowie über Stillen und Erziehung, von denen ich dachte sie wären richtig (omg), ins wanken gerieten, trieb ich mich auch immer mehr im Internet rum, las Blog-Artikel und stieß auch Internetseiten, die sich mit dem Thema beschäftigen. Besonders die Erfahrungsberichte von Langzeitstillmütter machten mir Mut, entgegen den Stimmen meines Umfeldes, meinen eigenen Weg zu gehen. Ich sah was alles möglich ist, und dass es überhaupt gar nicht ungewöhnlich ist sein Kind auch über den 8. Monat hinaus zu stillen.
Mein kleiner Sohn war 10 Monate alt, ich stillte ihn noch sehr häufig. Die Abneigung gegen Brei war geblieben, er aß gedünstete Gemüsesticks, gekochte Kartoffeln, weiches Obst und mümmelte an Brot. Muttermilch war trotzdem seine Hauptnahrungsquelle.
Langsam machte ich mir Gedanken, ich musste wieder arbeiten und in 1 ½ Monaten begann die Eingewöhnung in die Kita. Die Stimmen in meinem Umfeld wurden lauter: „Nun musst Du aber endlich abstillen, sonst klappt das niemals in der Kita.“ „Dein Kind kann so nicht selbstständig werden!“ usw.
Mein Sohn war immer noch ein Stillkind, wie sollte das also gehen, vielleicht haben sie Recht?!
Der Rat meiner Stillberaterin war: „Alles entspannt auf sich zukommen lassen. Abstillen zu dem Zeitpunkt ist nicht ratsam, denn es ist sowieso alles neu für ihn. Es wird schon funktionieren.“
Ich stillte nicht ab. Es hat funktioniert.
Spätestens zu dem Zeitpunkt (eigentlich aber auch schon früher) war mir klar: Das Abstillen wird von meinem Kind ausgehen und er darf so lange stillen wie er es möchte und es braucht.
Ich wusste es ja eigentlich schon längst: Stillen ist Nähe, Trost, Beruhigung und Bindung. Es ist soviel mehr als nur Nahrungsaufnahme.
Obwohl ich genau das tief in meinem Herzen wusste seitdem mein Baby auf der Welt ist, habe ich das Stillen trotzdem hauptsächlich als Nahrungsaufnahme angesehen, die irgendwann nicht mehr benötigt wird und die Mutter entscheidet wann dieser Zeitpunkt ist.
Ich war ja so ahnungslos und so unwissend, bevor ich nicht selbst in die Situation gekommen bin.
Vor der Geburt meines Kindes war ich eine unabhängige Frau, die sich nach niemandem richten musste. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass ich mein Baby länger als nötig von mir abhängig mache und ich keine Freiheit mehr genießen kann.
Diese Freiheitsgedanken waren mit der Geburt und einsetzten der Muttergefühle dann auch ausgelöscht.
Ganz besonders zur Eingewöhnung in die Kita
und als ich wieder anfing Vollzeit zu arbeiten brauchte mein Kind das Stillen sehr. Er stillte wieder häufiger als vorher und ich genoss diese innigen Momente mit ihm. Es wäre für mich nicht richtig gewesen ihn genau in dieser Lebensphase abzustillen.
Auch später, als die Muttermilch nicht mehr seine Hauptnahrung war und er bei uns am Familientisch mit aß, gab es Phasen in denen er oft stillte. Es gab ihm Trost und Geborgenheit beim zahnen oder einer Erkältung, in aufregenden Situationen, beim verarbeiten eines anstrengenden Tages oder wenn er einfach nicht zur Ruhe kommen konnte.
Ich habe ihn immer nachts bei Bedarf im Familienbett gestillt, bis zum Schluss. Ich möchte mir gar nicht vorstellen wie es gewesen wäre, wenn ich jedes Mal hätte aufstehen und eine Flasche machen müssen. Sicherlich hätte ich die Nächte als sehr viel anstrengender empfunden.
So habe ich oft im Halbschlaf gestillt und im Großen Ganzen war es recht entspannt.
Und nun ist sie vorbei, unsere 26-monatige Stillzeit. Das was ich mir gewünscht habe ist eingetreten, er hat sich ganz langsam von selbst abgestillt. Mit der Zeit wurden die Stillabstände immer größer. Erst nur noch zum Einschlafen, nachts und morgens. Dann schlief er nachts durch. Irgendwann brauchte mein kleiner Sohn kein Einschlafstillen mehr, Einschlafkuscheln hat ihm gereicht.
Eine ganze Zeit lang hat er nur noch morgens, vor dem Aufstehen im Bett gestillt. Ich habe diese Momente geliebt und diese Kuscheleinheit sehr genossen.
Es ist irgendwie auch witzig einen 2 jährigen zu stillen,
was hätte ich bloß verpasst wenn ich ihn, so wie ich es damals für richtig hielt, nach 4 Monaten abgestillt hätte? Als er sprechen konnte hat er immer ganz höflich gefragt wenn er an die Brust wollte: „Mama, ich Mops trinken?“ und hat dabei auf die Brust getippt. Ja, die Brust heißt bei uns Mops. In der Öffentlichkeit war es manchmal auch ganz gut so, dann wusste nicht jeder direkt was gemeint war.
Jedenfalls wurden irgendwann auch die Abstände des morgendlichen Stillens größer. An manchen Tagen wollte er nicht. Also wurde nur noch alle 2-3 Tage gestillt. Eines Morgens frage er wieder nach dem Mops und ich ließ ihn. Er versuchte aber nur ganz kurz zu trinken, so konnte gar kein Milchsendereflex einsetzten. Dann sagte er: „Mama, Mops alle. Ich kann nicht trinken. Mama, neue Milch reinmachen.“ Er hat es dann noch an weiteren Tagen versucht, mit dem gleichen Ergebnis. Weil er an der Brust nicht mehr trinken konnte, nahm er stattdessen Milch aus seiner Schnabeltasse, was für ihn völlig ok war.
Ich denke an unserer über zweijährige Stillzeit zurück. Sie war voller toller, liebevoller inniger Momente, aber anfangs auch voller Stress, Angst, Verzweiflung und vor allem Unsicherheit.
Warum schreibe ich das hier alles?
Ich möchte anderen Mamis Mut machen. Gebt nicht auf nur weil es anfangs schwierig ist und nicht gleich klappt. Holt Euch Hilfe bei einer stillerfahrenen Hebamme oder einer Stillberaterin ,wenn ihr nicht weiter wisst. Legt Euch ein dickes Fell für die Sprüche und Meinungen anderer Leute zu und lasst diese an Euch abprallen.
Mit meiner Stillgeschichte möchte ich außerdem zeigen, dass weder Beikost, Zähne, Kita, Arbeitsbeginn und schon gar kein Schub Gründe zum Abstillen sind.
Hört auf Euer Gefühl, geht auf Euer Kind ein und macht genau das was sich für Euch beide richtig anfühlt. Dabei ist es egal ob ihr gar nicht, nur ein paar Wochen, ein halbes Jahr oder drei Jahre stillt. Jede Mama sollte das machen dürfen was für sie und ihre Familie das Beste ist, ohne dafür verurteilt zu werden.